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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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dauern und das Geld eines Tages reichlich fließen – jedenfalls träumte sie davon.
    Sie hatte Glück und bekam eine Lehrstelle im Rosen-Atelier am Mittelweg. Den Namen bezog die kleine, aber feine Werkstatt von dem Haus, in dem sie untergebracht war. Eigentlich war es ein Hinterhofhaus, aber die Reinickes bezeichneten es etwas vornehmer als Gartenhaus. Es war von Kletterrosen überwuchert.
    Jens und Inken Reinicke, beide in den Fünfzigern, waren ein sehr bekanntes Fotografenehepaar aus Schleswig, die sich in Hamburg einen hervorragenden Namen gemacht hatten. Sie beschäftigten drei Angestellte und boten regelmäßig einem Lehrling eine Ausbildung an. Andrea bekam die Lehrstelle, weil sie sich verpflichtet hatte, auch nach der Ausbildung zu bleiben, um dann eine gravierende Lücke im Angebot des Ateliers auszufüllen. Spezialität der Werkstatt waren Porträtaufnahmen, Modefotografie für Hochglanzzeitschriften sowie Speisenarrangements für Kochbücher mit gehobenem Niveau. Was das Atelier nicht anbieten konnte, waren Termine außer Haus. Die sollte Andrea übernehmen, dafür wurde sie ausgebildet. Andrea willigte gern ein. Die Atelieraufnahmen langweilten sie, und da sie niemals das Geld für ein eigenes Studio haben würde, begegnete sie wenigstens auf diese Art interessanten Menschen. Dass sie dafür viele Wochenenden opfern musste, störte sie nicht.
    Sie räumte ihren Schreibtisch auf, suchte die nötigen Straßenpläne zusammen und sortierte ihre Fotoausrüstung. Gut, dass die Apparate inzwischen so handlich geworden waren, man musste nicht mehr die großen Koffer herumschleppen und konnte trotzdem gute Arbeit leisten. Natürlich ging Andrea mit der Zeit und benutzte inzwischen auch Digitalkameras. Doch trotz aller Vorteile der modernen Technik griff sie oft zu ihrer bewährten Spiegelreflex. Dann ging sie hinüber ins Labor, um Holger zu bitten, am Montag als Erstes die Fotos zu entwickeln, die sie auf traditionelle Art geschossen hatte. Nach so einem arbeitsreichen Wochenende war sie immer sehr nervös und auch ängstlich und konnte es kaum erwarten, die Resultate ihrer Arbeit zu sehen. Die Digitalfotos prüfte sie normalerweise schon einmal zu Hause an ihrem PC.
    Holger war der Techniker im Atelier. Der kleine Mann, fast schon im Rentenalter, war der eigentliche Künstler in diesem Studio. Er hatte ein angeborenes Talent für Bilder und machte aus den Fotografien jene Kunstwerke, die dem Atelier den guten Ruf einbrachten. Ganz gleich, ob er daran in der Dunkelkammer oder am Computer arbeitete. Er verehrte Andrea. Wenn sie plötzlich in der Tür stand, ging für ihn die Sonne auf. Selbst die Dunkelheit eines verregneten Nachmittags brachte sie zum Leuchten – jedenfalls kam es ihm heute so vor.
    »Was für Aufnahmen werden das sein?«
    »Innenaufnahmen einer Hochzeitsfeier, Fotos von der Vielseitigkeitsreiterei und Bilder von einer Taufe, da habe ich bestimmt Belichtungsschwierigkeiten. Ich darf keinen Blitz benutzen, damit das Baby nicht schreit.«
    »Ich denke, das kriegen wir hin, Andrea, machen Sie sich keine Sorgen.«
    »Ich weiß, und danke, Holger. Also dann bis Montag.«
    »Trotzdem ein schönes Wochenende.«
    »Ab Sonntagmittag habe ich frei. Vielleicht fotografiere ich ein paar Blumen in den Wallanlagen. Ich muss mir neue Glückwunschkarten basteln, die im Geschäft werden alle paar Wochen teurer.«
    »Ich habe neulich welche gesehen, das Stück für zwei Euro, ist doch der helle Wahnsinn«, nickte Holger.
    »Wenn Sie wollen, mache ich wieder welche für Sie mit.«
    »Das wäre schön. Meine Frau und meine Freunde sind ganz wild danach, manche sammeln sie sogar und sagen, die seien zu schade zum Verschicken.«
    »Also abgemacht. Tschüs, bis nächste Woche.«
    Sie ging zurück in ihr Büro, froh, dem begabten Mann eine Freude gemacht zu haben. Sie wusste genau, was seine Arbeit für sie bedeutete. Immerhin würden ihre Fotos unter seinen Händen zu kleinen Kunstwerken werden.
    Draußen war es fast dunkel. Das Gewitter hatte die Stadt erreicht, und der Regen prasselte gegen die Scheiben. Andrea nahm ihre Sachen, rief »Tschüs Inken, Tschüs Jens« und lief über den Hof durch die Toreinfahrt des Vorderhauses und hinüber zur Bushaltestelle. Die beiden winkten ihr nach. Sie mochten Andrea. Sie hatte frischen Wind in das Studio gebracht. Mit ihrem Lächeln bezauberte sie mürrische Kunden und quengelige Kinder, und auch unter den Mitarbeitern sorgte sie für gute Laune, wenn die Arbeit mal nicht

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