Schottische Disteln
arbeiten.« Peter war liebenswert und hilfsbereit, aber er war auch eine Klette, die man schwer abschütteln konnte. Andrea sah aus dem Fenster. Noch immer regnete es in Strömen, und das Wasser lief wie ein grauer Vorhang an den Scheiben herunter. Sie würde ein Taxi brauchen.
»Peter, ich muss weg, und ich bin noch nicht einmal gekämmt.«
»Ich bin ein erstklassiger Friseur.«
»Du bist verrückt. Aber ich muss jetzt wirklich los.« »Musst du arbeiten?«
»Was dachtest du denn?«
»Ich weiß viel zu wenig von dir und deinen Terminen.«
»Jetzt weißt du es ja.« Andrea ärgerte sich über ihre Schroffheit, aber manchmal ging ihr Peter einfach auf die Nerven.
»Ich könnte dich begleiten.«
»Das geht nicht, es ist eine geschlossene Gesellschaft.«
Sie dachte an die Bequemlichkeit in Peters Auto.
»Na gut, Peter, du könntest mich nach dem Termin abholen, mein Wagen ist zur Inspektion in der Werkstatt.«
»Wann und wo?«
»Kurz nach Mitternacht. Im Atlantik-Hotel.«
»Ich bin pünktlich.«
»Danke, dann bis nachher.« Das war typisch für Peter: Immer war er für sie da, immer rücksichtsvoll, immer bescheiden im Hintergrund – aber gerade das fand sie langweilig! Es war zwar angenehm zu wissen, dass sie später bequem und zuverlässig nach Hause kam, aber es war auch schwierig. Sie musste überlegen, wie sie Peter dann wieder loswurde. Nicht, dass er die Nacht mit ihr im Bett verbringen wollte. Davon war noch nie die Rede gewesen. Er saß einfach nur da und schwieg und sah sie an, und sie wusste nicht, worüber sie mit ihm reden sollte. Am Ende eines arbeitsreichen Tages war sie müde und ausgelaugt, da musste sie nicht noch mühsam Konversation betreiben. Andrea rief die Taxizentrale an und bat, den Wagen direkt in die Tiefgarage zu schicken. Sie würde das Tor öffnen und konnte dann ohne nass zu werden einsteigen.
Das Taxi kam pünktlich, und fünfzehn Minuten später war sie im Hotel. Ein Page führte sie durch die Halle und hinten in den großen Gartensaal. Das Fest war in vollem Gang, und Andrea hatte Mühe, sich bekannt zu machen und das Brautpaar nach den Fotowünschen zu fragen. Das Anschneiden der Hochzeitstorte, eine Polonäse mit Wunderkerzen, ein paar Sketche, ein paar Redner – die Wünsche waren nicht allzu ausgefallen, und Andrea machte sich an die Arbeit. Sie hielt sich so gut es ging im Hintergrund und fotografierte, was sich anbot. Als der Brautvater sie sah, ein schwergewichtiger, schwitzender Mann mit glänzenden Augen, nahm er sie in den Arm und schob sie mitten hinein in den Trubel.
»Ist doch klar, dass Sie hier mitfeiern. So ein nettes Mädchen hat man nicht alle Tage im Arm.« Und schon zog er sie auf die Tanzfläche, und an seinem Atem roch Andrea, woher die blitzenden Augen und die losen Worte kamen. Aber sie machte mit, ließ sich herumwirbeln und lachte, als die Herren der Gesellschaft einer nach dem anderen anfingen, sie abzuklatschen und sich um Tänze mit ihr zu bemühen. Sie wusste aber auch, dass sie sich zurückhalten musste, denn sie war hier, um zu arbeiten, und stand keineswegs im Mittelpunkt. Diskret zog sie sich aus dem Trubel zurück, machte noch ein paar Fotos und verließ kurz nach Mitternacht, als das Fest seinen Höhepunkt überschritten hatte, den Saal.
Peter saß im Foyer und hatte zwei Cognacgläser vor sich stehen. Als er Andrea sah, stand er auf und reichte ihr ein Glas: »Auf mein fleißiges Mädchen.«
Andrea mochte es gar nicht, wenn er so besitzergreifend redete, aber sie erkannte auch den guten Willen. Er wollte ihr einfach eine Freude machen! Dann brachte er sie zum Wagen und fuhr sie nach Hause.
»Ich möchte mich hier im Auto verabschieden, Peter. Ich bin sehr müde und muss morgen um vier Uhr aufstehen.«
Sie sah die Enttäuschung in seinem Gesicht und sein leichtes Kopfnicken. »Ich verstehe schon, Andrea. Es ist in Ordnung. Aber warum um Himmels willen musst du morgen, oder sagen wir heute, so früh aufstehen?«
»Ich muss um sieben Uhr in Luhmühlen sein. Um acht beginnt der Geländeritt der internationalen Military, und die englische Equipe hat unser Atelier beauftragt, Fotos von den Teamreitern zu machen.«
»Wie kommst du denn dahin?«
»Mit der Bahn bis Lüneburg, dann mit dem Sonderbus.«
»So etwas Dummes. Ich kann dich doch fahren.«
»Das will ich nicht Peter, du brauchst auch dein Wochenende zur Erholung.«
»Also, abgemacht. Ich sage jetzt gute Nacht, und um fünf stehe ich hier vor der Tür. Dann kannst du eine
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