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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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Beziehung mit einem anderen an, mit diesem Andrew, und in null Komma nichts haben sie auch noch geheiratet. Geheiratet, als wären wir beide nichts gewesen,hätten nichts zusammen gehabt, nichts. Und sie war glücklich. Glücklich. Als ob Heather   …«
    Er zog ein zerfetztes Papiertaschentuch aus der Hose und wischte sich über die Mundwinkel, die Augen.
    »Dann hörte ich, dass sie ein Kind bekommen hatte. Ein Mädchen. Ein kleines Mädchen. Als ob sie nur ein Kind zur Welt bringen müsste, um Heather endgültig aus ihren Gedanken zu vertreiben, als ob sie jemand anders an ihre Stelle setzen könnte. Es war alles so   … unfair.«
    »Unfair?«
    »Ja. Sie hatte vergessen, was es heißt, zu leiden, zu trauern. Den Verlust jedes Mal zu spüren, wenn man die Augen aufmacht und ein Mädchen auf der Straße sieht. In der Schlange im Supermarkt, wie es sich umdreht. Oder mit Freundinnen im Bus, wenn sie in die Stadt fahren und lachen. Also beschloss ich, dass sie es erfahren müsste. Von Neuem. Wie es ist.«
    »Sie wollten ihr wehtun.«
    »Ich wollte, dass sie sich an den Schmerz erinnert.«
    »Und was ist mit Beatrice? Mit deren Schmerz und deren Angst? Das Kind muss völlig verängstigt gewesen sein.«
    »Nein, das glaube ich nicht. Nein. Vielleicht am Anfang ein bisschen, aber sobald sie mich besser kannte, wusste, wer ich war   … Ich glaube sogar, am Ende konnte sie mich ganz gut leiden   …«
    Er vergrub sein Gesicht in den Händen.
    Die Anwältin hustete diskret und sah weg.
    Glaub bloß nicht, dass ich Mitleid mit dir habe, sagte Will im Stillen zu sich, denn das habe ich bestimmt nicht, du erbärmlicher Mistkerl.
     
    Es gab die übliche Feier in einem Pub in der Nähe, und der Detective Superintendent zeigte sich lange genug, umgesehen und nicht als Spielverderber eingestuft zu werden, dann entschuldigte er sich. Bei dieser Gelegenheit blieb Will nicht viel länger als er und kam rechtzeitig genug zu Hause an, um Jake ins Bett zu jagen und ihm noch ein Kapitel von ›Komet im Mumintal‹ vorzulesen, bevor der Junge einschlief.
    Unten setzte er sich zu Lorraine aufs Sofa, wo sie mit angezogenen Beinen saß und fernsah.
    »Ich habe dich nicht so früh erwartet.«
    »Na ja   …«
    »Müde?«
    »Ziemlich.«
    »Du siehst müde aus.«
    Will nickte. »Und du?«
    »Ach, mir geht’s prima, alles in allem.«
    »Wie ist es heute gelaufen? Ich hatte gar keine Gelegenheit, mich zu erkundigen.«
    »Hätte schlimmer sein können.« Sie drehte sich um und legte ein Bein über seinen Schoß. »Fincham war sehr anständig. Im Gegensatz zu dieser Lesbe, die er aus Kent geholt hat.«
    Will lachte. »Diese was?«
    »Du hast mich gehört.«
    »Wenn ich sie so nennen würde, würdest du mich ganz schön runterputzen. Nur weil sie kurze Haare hat, heißt das nicht   …«
    »Okay, heißt es nicht. Aber sie ist trotzdem eine.«
    »Ich weiß nicht. Du hättest mal sehen sollen, wie sie sich im Pub an Jim Straley rangeschmissen hat. Hatte praktisch ihre Hand in seiner Hosentasche.«
    »Das ist nur, weil sie rausfinden wollte, ob an den Gerüchten was dran ist.«
    »An welchen Gerüchten?«
    Lorraine grinste und hielt beide Hände vor sich, die Handflächen gute dreißig Zentimeter voneinander entfernt.
    »Tatsächlich?«
    »So heißt es.« Sie veränderte ihre Position noch einmal. »Jedenfalls hat Fincham deutlich gemacht, dass die Sache seiner Meinung nach erledigt ist.«
    »Hoffentlich.« Auf dem Bildschirm fuhr jemand, der aussah wie Kenneth Branagh, in einem großen Volvo über ansonsten verlassene Landstraßen und sah sorgenvoll aus. »Siehst du das an?«
    »Nein.«
    Will drückte auf die Fernbedienung und machte mit der Massage ihres Fußes weiter.
    »Was passiert mit dem Mann, der das Mädchen entführt hat?«
    »Pierce? Er wird wegen Kindesentführung angeklagt. Er hat keine Vorstrafen, vielleicht kommt er sogar gegen Kaution frei. Wenn die Psychiater erst mit ihm fertig sind, würde es mich nicht wundern, wenn er mit einer leichten Strafe davonkommt, höchstens ein paar Jahre. Und wenn er den richtigen Richter erwischt, kommt er vielleicht gar nicht ins Gefängnis.«
    »Er hat ihr nichts getan, oder?«
    »Er hat sie die ganze Zeit gefangen gehalten, in einen dunklen Raum eingeschlossen, und sie wusste nicht, was noch passieren wird   – das hat er ihr getan. Schlimm genug.«
    »Was wollte er mit ihr machen?«
    »Sie gehen lassen. Sagt er. Der Mutter sagen, wo sie ist.«
    »Und wozu?«
    Will zuckte die Achseln.

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