Schrei in Flammen
die unterschiedlichsten Blaulichter. Polizisten rannten hin und her, und hinter den Absperrungen drängelten sich die Schaulustigen.
Sie parkte weit von der ersten Absperrung entfernt, sah sich um und ging langsam auf den Ort des allgemeinen Interesses zu. Hinter den Fenstern auf der anderen Straßenseite standen Anwohner, sie hatten freien Blick auf den ruhigeren Bereich des Parkplatzes. Dann sah sie das ausgebrannte Auto. Es stand in einer Ecke des Parkplatzes, die aus den Wohnungen vermutlich nicht einzusehen war. Unter den weißgekleideten Gestalten, die den Wagen umschwirrten, erkannte sie Jens und trat hinter die Absperrung. Als er sie erblickte, ging er ihr entgegen.
»Was wissen wir?«, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Nicht sehr viel.«
»Mann oder Frau?«
»Anne Mi meint, es ist eine Frau. Wegen der Größe. Ich glaube, sie hat recht. Hier«, sagte er und reichte ihr einen Schutzanzug. »Komm mit.«
Sie streifte sich den Overall und die Schuhüberzüge über, legte den Mundschutz an und folgte ihm zum Auto, wo sie die Kriminaltechniker und die Rechtsmedizinerin Anne Mi Kjær begrüßte, die sie schon von ihrem ersten Fall bei der Kopenhagener Polizei her kannte.
»Schön, dass du wieder da bist«, sagte Anne Mi. »Bist du okay?«
»Ja, danke.« Katrine nickte.
Sie legte die Nasenklammer an und folgte ihr, durch den Mund atmend, zum Auto. Der Gestank nach Benzin und verbranntem Fleisch war überwältigend.
Ein schrecklicher Anblick bot sich ihr. Auf dem Beifahrersitz saß ein bis zur Unkenntlichkeit verbrannter menschlicher Körper. Die Leiche war in der charakteristischen Fechterstellung verkrampft, mit angezogenen Beinen und leicht angewinkelten, abstehenden Armen, als wäre die Person in dem Versuch erstarrt, sich noch einmal wie ein Embryo zusammenzurollen. Durch die extreme Hitze der Flammen zogen sich die großen Oberarm- und Oberschenkelmuskeln zusammen, war Katrine einmal von einem Rechtsmediziner erklärt worden. Wann ist sie gestorben? Und wie?, schoss es ihr durch den Kopf. Hoffentlich war sie bereits tot, als das Auto in Brand geriet.
»Der Notruf ging um 00.25 Uhr ein«, sagte Jens. »Gleich von mehreren Anwohnern.«
»Kannst du schon etwas über die Todesursache sagen?«, fragte Katrine.
Anne Mi schüttelte den Kopf. »Bis jetzt durfte ich noch nicht richtig an die Leiche ran«, antwortete sie. »Aber die Brandexperten sind gleich fertig.«
»Die Techniker haben Benzin unter den Fußmatten im Wagen gefunden«, sagte Jens. »Es deutet also alles daraufhin, dass da Benzin als Brandbeschleuniger benutzt wurde. Ich bezweifle, dass wir einen Führerschein oder irgendetwas anderes finden, das uns hilft, die Tote jetzt und hier zu identifizieren. Die Hitze war wirklich extrem.«
Katrine musterte das Auto. Alles Brennbare im Wageninneren war in den Flammen aufgegangen, nur der verkohlte Stahlrahmen und der tragische Passagier waren übrig.
Jens fuhr fort: »Außerdem sind sich die Brandexperten ziemlich sicher, dass Luft zugeführt wurde – auch das, um den Brand zu beschleunigen. Vermutlich waren ein oder zwei Fenster geöffnet, um das Feuer ordentlich anzufachen.«
»Der wusste also, was er zu tun hatte.«
»Hm«, sagte Jens. »Aber dafür braucht es nicht sonderlich viel Intelligenz.«
»Ist das Auto explodiert?«, fragte sie. Ihr dämmerte, dass dafür eine ganz bestimmte Konstellation vonnöten war.
»Nein«, antwortete Jens. »Dafür braucht es eine exakte Konzentration von fünf Prozent, und die kriegt man nicht so leicht hin. Aber damit hat der Täter dafür gesorgt, keine DNA zu hinterlassen.«
»Gibt es Zeugen, die etwas gesehen haben?«, fragte Katrine.
»Bis jetzt nicht. Ich habe ein paar Leute drangesetzt, die sind gemeinsam mit den Beamten von Bellahøj unterwegs und befragen die Anwohner, deren Fenster zum Parkplatz weisen.«
»Wissen wir etwas über den Wagen?«
»Nein, noch nicht. Die Nummernschilder sind geschmolzen, aber die Techniker können die Fahrgestellnummer feststellen, wenn sie im Innenraum zu arbeiten beginnen. Die steht in der Regel unter dem Teppich vor dem Beifahrersitz.«
Sie blickten beide zu Boden und auf die verkohlten Beine, die in halber Höhe gleichermaßen elegant und grausam in der Luft schwebten.
»Sind Sie wirklich wieder fit genug, um so was wie das hier wegzustecken?«
Katrine erkannte die Stimme und drehte sich um. Torsten Bistrup, einer der Ermittlungsleiter des Morddezernats, stand hinter ihr. Katrine begegnete seinem
Weitere Kostenlose Bücher