Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
Vom Netzwerk:
vorstellen. Natürlich gibt es ab und zu mal Kunden, die unzufrieden sind und sich beschweren. Und vor ein paar Wochen hatte ich eine kurze Affäre mit einem Mann, der es mir übel nahm, als ich nichts weiter von ihm wollte. Aber das sind alles keine Gründe für eine solche Bosheit.«
    »Geben Sie mir trotzdem den Namen jenes Mannes und der Kunden, mit denen Sie in letzter Zeit Auseinandersetzungen hatten.«
    Valerie gestand, von jenem Mann nur den Vornamen zu kennen, was ihr ein bisschen peinlich war. »Krach hatte ich kürzlich mit einer Kundin, Angela Legler. Aber ich bin praktisch sicher, dass die Stimme am Telefon einem Mann gehört hat. Und ich kann sie mir auch nicht beim Basteln eines solchen Briefs vorstellen.«
    Zita Elmer gab Valerie ihre private Handynummer. »Unter Polizeischutz können wir Sie nicht stellen«, entschuldigte sie sich.
    Valerie wehrte ab. »Das will ich auch gar nicht, das brauche ich nicht. Ich käme mir ja komisch vor mit einem Bodyguard.« Es gelang ihr ein Lächeln, auch wenn es etwas verrutscht aussah.
    »Sie können mich jederzeit auch außerhalb meiner Dienstzeiten anrufen, wenn wieder etwas geschieht.«
    »Danke.« Valerie ging zum FahrGut hinüber und Zita Elmer bestellte einen Kurier, der das unappetitliche Fischpaket zur Untersuchung bringen würde.
    Valerie war etwas knapp dran, Markus war schon da. »Guck mal, was ich da gefunden habe. Lag am Boden bei der hinteren Türe.«
    Es war ein schmuddliger Briefumschlag, mit Druckbuchstaben beschriftet mit ›Valerie Gut‹. Valerie wurde rot und nahm ihn Markus aus der Hand. Schnell ging sie ins Büro hinunter. Sie wollte auf keinen Fall, dass ihre Angestellten etwas von den Bedrohungen erfuhren. Sie riss den Umschlag auf. ›Tote Fische schwimmen mit dem Strohm‹, stand da. Wieder ausgeschnittene, auf den Bogen geklebte Buchstaben. Ein völlig sinnloser Satz. Es ging offensichtlich nur um die ersten beiden Wörter. Der Rechtschreibfehler mochte etwas zu bedeuten haben oder auch nicht. Am meisten erschütterte Valerie, dass der Unbekannte sie auch in ihrem Geschäft verfolgte. Sie schob den Papierbogen in den Umschlag zurück. Mittags würde sie ihn Zita Elmer bringen. Für den Moment wollte sie sich zwingen, nicht mehr daran zu denken, sondern sich auf die Arbeit zu konzentrieren.
    Valerie rief Luís zu sich. Seppli schlief im Büro neben dem Ofen, vermutlich träumte er, denn seine Beine bewegten sich und er gab kleine, aufgeregte Laute von sich. Vielleicht jagte er im Traum über eine grüne Wiese und erlebte große Abenteuer. Luís warf ein Blick hinüber und kicherte, dann konzentrierte er sich wieder auf das Velo vor ihm. Valerie hatte einen Stapel hellgelber Post-it-Zettelchen in der Hand, jedes mit einem Wort beschriftet. ›Speiche‹, ›Bremskabel‹, ›Rücklicht‹ und Ähnliches stand darauf. Sie gab Luís eines nach dem anderen; er las die Aufschrift laut vor und klebte das Zettelchen an die richtige Stelle des Rads. ›Gangschaltung‹. Ein schwieriges Wort. Lang. Kaum auszusprechen. Und was bezeichnete es schon wieder?
    »Schau dir zunächst nur den ersten Teil des Wortes an«, gab ihm Valerie einen Tipp.
    Gang, klar, ging Luís auf.
    »Und was machst du, wenn du nicht mehr im fünften, sondern im sechsten Gang fahren willst?«
    Richtig, schalten. Und das Ding, mit dem man das bewerkstelligte, war eben – die Gangschaltung.
    Sie ging mit ihrem Anlehrling nach oben, griff sich ein Rad, an dem die Gangschaltung repariert werden musste, und begann, Luís am Objekt zu erklären, wo das Problem lag und wie es anzugehen war.
    Die Ladenglocke ertönte und aus dem Augenwinkel sah Valerie, dass Hugo Tschudi seine alte Mühle in den Laden schob. Wehe, wenn heute Abend wieder etwas fehlt, drohte sie in Gedanken gereizt.
    Markus kümmerte sich sogleich um ihn; zusammen beugten sie sich über das Fahrrad. Der Mechaniker holte einen Schraubenzieher, es war offenbar nur eine lockere Schraube anzuziehen. Valerie nervte es besonders, dass Hugo mit Problemen ankam, die er selbst hätte beheben können. Wenn er auf dem Fahrrad durch Lateinamerika gefahren war, wie er regelmäßig erzählte, musste er wohl imstande sein, eine Schraube an seinem Velo festzudrehen.
    »Also, bis Samstag«, hörte sie Hugo zu Markus sagen. So, dachte sie, gleich wieder verärgert, die treffen sich also in der Freizeit. Es ging sie ja nichts an, aber ihr Unmut blieb. Sie hatte in der letzten Zeit eine Abneigung gegen Hugo entwickelt, was vermutlich

Weitere Kostenlose Bücher