Schütze meine Seele: Soul Screamers 4 (German Edition)
einfach zugelassen und mir nicht mal gesagt hatte, was da mit mir geschah, war das Maß endgültig voll gewesen. Solange ich mir nicht absolut sicher sein konnte, dass so etwas niemals wieder passierte, konnte ich unserer Beziehung keine zweite Chance geben.
Zumindest wenn es nach meinem Verstand ging. Was der für das Beste hielt und was mein Herz wollte, waren jedoch zwei völlig verschiedene Dinge.
„Ich hab immer noch nicht besonders viel Appetit, aber was ich esse, bleibt jetzt immerhin drin.“ Nash betrachtete sein volles Tablett. Mir fiel auf, dass er abgenommen hatte. Seine Züge waren … kantiger geworden. Die Haut unter seinen Augen sah dunkel und verquollen aus, und er hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, kunstvoll seine Haare zu zerstrubbeln wie sonst. Während der alte Nash nur so vor Lebenslust und Ausstrahlung gestrotzt hatte, wirkte die neue Version von ihm geradezuglanzlos und lethargisch. Ich erkannte ihn kaum wieder und befürchtete, mit seinem Gefühlsleben ebenso wenig vertraut zu sein. Jedenfalls nicht so, wie ich es mit dem von meinem Nash gewesen war.
„Vielleicht hättest du noch ein paar Tage zu Hause bleiben sollen“, stellte ich leise fest, langsam eine Portion Spaghetti mit der Gabel aufrollend.
„Ich wollte dich sehen.“
Mein gebrochenes Herz schien noch einmal in tausend Stücke zu zerspringen. Ich schaute auf, und in Nashs Blick spiegelten sich Bedauern und Sehnsucht, das plötzlich mit grünen Schleiern durchsetzte Braun seiner Augen flirrte, als würde ein winziger Tornado die Farben umeinander herumwirbeln lassen. Menschen konnten dieses Phänomen nicht wahrnehmen. Aber Nash und ich – da wir beide Bean Sidhes waren, oder auch Banshees – konnten es, und mit ein wenig Übung hatte ich auch gelernt, bei ihm die jeweiligen darin verborgenen Gefühlsregungen zu erkennen und zu unterscheiden. Sozusagen seine Emotionen durch das Fenster zu seiner Seele zu lesen. Sofern er mich daran teilhaben ließ.
„Nash …“
„Ohne Hintergedanken, okay?“, fiel er mir ins Wort, ehe ich dazu kam, mit der zurückweisenden Ansprache loszulegen, die ich vorsorglich einstudiert und von der ich gleichzeitig gehofft hatte, sie niemals wirklich zu brauchen. „Ich wollte einfach dein Gesicht sehen. Deine Stimme hören.“
Übersetzung: Du hast mich nicht ein einziges Mal besucht. Oder wenigstens angerufen.
Ich schloss die Augen und kämpfte mit dieser beklemmenden Unsicherheit, die ich plötzlich in seiner Gegenwart empfand. „Ich hätte gern …“ Lieber als alles andere. „Aber ich kann einfach nicht …“
„Nur gucken, aber nicht anfassen?“, beendete er den Satz fürmich, und unsere traurigen Blicke trafen sich. „Glaub mir, ich weiß genau, was du meinst.“ Er seufzte und rührte in seiner lieblos in eine Dessertschale geklatschten Pfirsichcreme. „Und was jetzt? Sind wir Freunde?“
Klar. Wenn die neue Definition von Freundschaft lautete, dass man den anderen lieben, doch nicht mit ihm zusammen sein konnte. Ihm zwar nicht über den Weg traute, doch ohne zu zögern für ihn sterben würde.
„Ich glaube, es gibt keine Bezeichnung für das, was wir sind, Nash.“ Wobei mir zumindest eine einfiel, die es ziemlich genau traf: schrottreif.
Nash und ich waren wie zwei Autos nach einem Frontalzusammenstoß. So hoffnungslos ineinander verkeilt, dass ich nicht einmal mehr sagen konnte, welche Teile zu ihm gehörten und welche zu mir. Vermutlich war es unmöglich, uns jemals wieder voneinander zu trennen – nicht nach allem, was wir zusammen durchgemacht hatten –, aber ich hatte ernsthaft Angst, es würde trotzdem zwischen uns nie mehr so werden wie früher.
„Weißt du, ich … ich brauche ein bisschen Zeit.“
Verständnisvoll nickte er, und in seinen Augen leuchtete der erste Hoffnungsschimmer seit einer gefühlten Ewigkeit auf. „Natürlich. Und die haben wir doch auch.“
Tatsächlich hatten wir die, und zwar jede Menge davon. Jenseits der Pubertät verlangsamte sich der Alterungsprozess eines Banshee drastisch, was einerseits bedeutete, ich müsste wohl noch mit vierzig überall meinen Ausweis vorzeigen. Andererseits hieß das allerdings auch, dass Nash und ich im Idealfall schätzungsweise vierhundert gemeinsamen Jahren entgegenblickten. Vorausgesetzt, wir schafften es, unsere Probleme zu lösen – und es kam uns dann keine unvorhergesehene Katastrophe dazwischen. Obwohl gerade das mehr als wahrscheinlich war, wenn es so weiterlief wie bisher. Seit Beginn
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