Schütze meine Seele: Soul Screamers 4 (German Edition)
1. KAPITEL
Zu Beginn des zweiten Semesters der Elften hatte ich es bereits mit äußerst brutalen und abtrünnigen Reapern zu tun bekommen, mit einem diabolischen Unterhaltungsmogul und einer Horde Hellions, die scharf auf meine Seele waren. Niemals hätte ich gedacht, dass mir das grauenvollste Monster von allen erst noch begegnen würde: die Exfreundin meines Freundes. Sie sollte sich als mein schlimmster Albtraum entpuppen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
„Ich beiße nicht.“ Nash schaute über die aufgespießte Erbse auf seiner Gabel hinweg zu mir hoch, und mir wurde bewusst, dass ich ihn anstarrte. Ich war auf der untersten Stufe der Treppe stehen geblieben, überrascht, ihn in der Schule anzutreffen, aber noch mehr darüber, ihn bei der Januarkälte draußen und dazu noch allein beim Mittagessen zu sehen. Draußen auf dem Hof, wohin ich mich verdrückt hatte, da ich dem Getuschel in der Cafeteria entgehen wollte.
Offensichtlich war er aus demselben Grund hier.
Ich blickte über die Schulter durchs Fenster der Cafeteriatür, in der Hoffnung, Emma irgendwo zu entdecken, allerdings schien sie noch nicht da zu sein.
Nash runzelte die Stirn, sowie er mein Zögern bemerkte. Doch ich machte mir keine Gedanken um ihn, sondern um mich. Ich fürchtete, sobald ich ihm zu nahe kam – seinen Armen, in denen ich früher Schutz und Trost gefunden hatte, den haselnussbraunen Augen, die direkt in mein Herz zu sehen schienen –, würde ich schwach werden. Ihm alles verzeihen, selbst wenn ich es nie vergessen könnte. Und das wäre überhaupt keine gute Idee.
Ich meine, es würde sich bestimmt gut anfühlen, aber genau das wäre fatal. Die vergangenen zwei Wochen waren dieschwersten meines Lebens gewesen. Und das, obwohl ich in den letzten Monaten viele schreckliche Dinge erlebt und überlebt hatte, von deren Existenz die meisten anderen 16-Jährigen nicht einmal etwas ahnten. Doch läppische vierzehn Tage ohne Nash – nämlich die kompletten Winterferien – reichten aus, mich bis an den Rand der Verzweiflung zu bringen. Wer auch immer sich diesen bescheuerten Spruch ausgedacht hat von wegen „Einmal geliebt und diese Liebe verloren zu haben ist besser, als niemals zu lieben“, muss geistesgestört sein. Hätte ich mich gar nicht erst in Nash verliebt, würde mir jetzt nicht so schmerzlich fehlen, was ich so nie kennengelernt hätte.
„Kaylee?“ Nash legte seine Gabel mitsamt der Erbse zurück aufs Tablett. „Schon gut. Ich verstehe. Du willst nicht mit mir reden.“
Schnell schüttelte ich den Kopf, stellte mein Tablett auf die gegenüberliegende Seite des Tisches und setzte mich zu ihm. „Nein, es ist nur … ich hatte dich hier nicht erwartet.“ In der Zwischenzeit hatte ich ihn nicht ein einziges Mal besucht, denn es wäre uns beiden gegenüber unfair gewesen. Wenn man nicht richtig zusammen sein kann, sollte man es besser ganz lassen. Alles andere machte es nur noch schlimmer. Allerdings wusste ich auch ohne ihn gesehen zu haben, dass der Entzug ihn ganz schön mitgenommen hatte, weil mein Vater – ausgerechnet er – sich regelmäßig erkundigt hatte, wie es Nash ging.
Und obwohl er seine Antworten auf meine Nachfragen so knapp wie möglich hielt, konnte ich mir aus dem wenigen, was er erzählte, leicht zusammenreimen, wie grausam ein Entzug von Dämonenatem – den Unwissenden bekannt als Frost oder auch Demon’s-H – sein musste.
„Geht es dir … gut?“, erkundigte ich mich, während ich mit meiner Gabel in die viel zu flüssige Spaghettisoße auf dem Tellerrand kleine Kreise malte.
„Besser.“ Er zuckte mit den Schultern. „An ‚gut‘ arbeite ich noch.“
„Aber um zur Schule zu kommen, reicht es schon wieder?“
Ein weiteres Achselzucken. „Mom hat mir eine Weile etwas verabreicht, um die Symptome zu lindern. Irgendein komisches Unterwelt-Kraut, frag mich nicht. Doch das Zeug hat mich fast nonstop schlafen lassen. Traumlos“, fügte er hinzu, als er meinen erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte. Die Hellions, deren Atem er inhaliert hatte, waren hin und wieder durch seine Träume mit ihm in Kontakt getreten. Meistens jedoch hatten sie mich dazu benutzt, indem sie von meinem Körper Besitz ergriffen, während ich geschlafen hatte. Ohne Frage hätte ich Nash dabei geholfen, seine Sucht zu besiegen, schließlich war er wegen mir überhaupt erst mit Demon’s-H in Berührung gekommen. Nachdem ich allerdings erfahren hatte, dass er diese regelmäßige Fremdsteuerung meines Körpers
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