Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
klingelt das Telefon. Susanne ist
dran. Meine älteste Freundin Susanne, die ich schon seit Schulzeiten kenne und
mit der ich in unseren Zwanzigern die wildesten Sachen erlebt habe, hat seit
kurzem den schwarzen Hautkrebs.
Sie war zu meiner Vollmondgeburtstagsfeier vor wenigen Tagen
bei mir und ich hatte nicht den Eindruck, dass ihr schon klar ist, mit welcher
Krankheit sie es zu tun hat. Susanne sprach zwar von allen möglichen Bekannten
und Unbekannten, die an dieser Krankheit sehr schnell verstorben sind, aber bei
ihr sieht alles „gut“ aus. „Kurz vor 12“ und „einen Schuss vor den Bug“ nannte
sie ihren Gesundheitszustand und ich war beeindruckt, wie sehr sie den Krebs
von sich selbst abspalten konnte. Sofort versuchte ich sie davon zu überzeugen,
mit auf den Jakobsweg zu kommen. „Kost fast nix, deine Kinder bekommst du
genauso organisiert und dann schauen wir mal genauer nach dir, deinem Leben und
was davon übrig ist. Weißt du, so wie damals, als wir noch ohne Kinder unterwegs
waren. Wie Thelma und Louise, nur mit Happy End. Übrigens, hast du eine Visa
Card?“
Auf den Weg würde sie sehr gerne mitgehen, aber sie hat
genau in dieser Zeit mit ihrer Familie einen exklusiven Cluburlaub in
Griechenland gebucht und wollte dort entspannen. September wäre doch auch noch
eine gute Zeit, meinte sie, ich solle mal schauen, ob ich dann könne.
Wenn ich Krebs hätte, würde ich SOFORT alles abbrechen und
entweder zum Heilfasten nach Indien oder auf eine einsame Insel, wo es nur Obst
und Fisch gibt. Wenigstens für 6 Wochen. Aber Susanne ist nicht ich und fährt
nach Griechenland. Naja, die Griechen brauchen gerade auch jeden Pfennig.
Klar hat sie ‘ne Visa und klar gibt sie mir die Nummer.
Gutes altes Mädchen. Werd’ du bloß wieder gesund!
Wieder zu Hause, buche ich sofort den Flug. So, dieses
Problem wäre gelöst. Jetzt hab ich nur noch den einen großen Brocken, meinen
geliebten Schatz.
Tag: minus drei 5.00 Uhr morgens
Email an Susanne
„Guten Morgen Susanne,
was soll ich sagen? Seit halb vier Uhr morgens bin ich
wach. Ich kann am Mittwoch nicht fliegen. Meine amerikanische Freundin Patty,
die sich in den Osterferien in Florida so liebevoll um meine Mädchen gekümmert
hat, sitzt mit David in Berlin und langweilt sich schrecklich. Sie hat mich gefragt,
ob sie mich besuchen darf, weil David ja eh den ganzen Tag arbeitet und sie
ohne Deutschkenntnisse in Berlin nicht viel mit sich anzufangen weiß.
Auf keinen Fall kann ich ihr absagen, denn sie ist wirklich
eine Klasse Frau und hat bei mir noch einiges gut. Mist! Mist! Mist! Fast schon
wäre ich auf dem Jakobsweg gewandelt und nun wird es doch wieder nichts. Aber
jetzt hatte ich lange genug Zeit darüber nachzudenken, wie ich diese Zeit nutze
und mir ist dann doch einiges eingefallen, was für uns alle schön sein könnte:
die Insel Mainau, Radtouren, ein Bummel durch Konstanz, die Berge, Bregenz… da
haben auch die Mädels was davon, da ist Bewegung in frischer Luft mit dabei und
zur Belohnung kaufe ich mir ein wunderschönes, neues Fahrrad und einen schicken
Anhänger für den Hund. Bei aller Fremdbestimmung und überhaupt, wir Frauen
wissen doch sehr genau, wie wir uns trösten können.
Abgesehen davon habe ich jetzt zwei Pilgerbücher gelesen und
weiß genau was auf Thelma und Louise zukommt, wenn sie „gegen Westen“ pilgern,
wann immer das auch sein wird. Mein Kalender ist im September sehr begeistert.
Wenn wir gleich was ausmachen, können wir den Termin jetzt schon blocken und
dann kommt nix mehr dazwischen. Vergiss deine Kontonummer nicht! Ich geh jetzt
mit dem Hund an den See und sammle Schwemmholz. Da ist zwar noch nicht viel da,
aber ich muss mit meiner Enttäuschung irgendwohin.
Vielleicht hole ich auch meine Kettensäge aus dem Keller und
säge das Gestrüpp im Garten um. Das regt mich auch schon lange auf!
Grüße von
Rosa“
Eigentlich brauchte ich mich überhaupt nicht aufzuregen,
denn wegen des Vulkanausbruchs auf Island und der Aschewolke in der Luft,
wurden gerade alle spanischen Flughäfen geschlossen.
Ich übe mich im Loslassen und schreibe Patty eine E-Mail,
dass sie jederzeit herzlich willkommen ist (sowieso) und sie soll sich bei mir
melden, wann und wo ich sie, an welchem Flughafen, abholen kann.
Es ist ein Talent, aus jeder Situation das Beste zu machen.
Jawoll! Am Abend kommt mein Geliebter.
Eines will ich mal ganz klar feststellen: Ich liebe meinen
Geliebten. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe hüpft mein
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