Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
Tag: minus Sechs
„Einen wunderschönen, guten Morgen, meine liebe Ina,
gerade habe ich es mir mit meinem Notebook und einem Kaffee
auf dem Klo gemütlich gemacht. Die Kinder sind in der Schule und nun habe ich
eine halbe Stunde Zeit bis meine Putzfrau kommt und ich zu meinem Pferd kann.
Da verbinde ich doch gleich mal das Notwendige mit dem Angenehmen und schreibe
dir eine schöne, lange E-Mail.
Du hingegen hast vermutlich nicht einmal richtig Zeit, diese
Mail zu lesen, denn im Unterschied zu dir leide ich an einer Krankheit, die dir
völlig fremd ist. Ich habe Langeweile! Und das nicht zu knapp.
Jeden Sonntag überlege ich mir, wie ich die kommende Woche
füllen kann und mache mir dazu Pläne. Wochenpläne, die ähnlich aussehen wie die
Stundenpläne unserer Kinder! Da alles erledigt ist, was in meinem ersten
16-Wochenplan, von Neujahr bis zu meinem Geburtstag, Ende April stand, fällt
mir nun nichts anderes mehr ein, als mich der Kreativität zu widmen:
Malen, Stricken, im Garten herumwurschteln, für Jasmine
Aufgaben vorbereiten, die ihr beim Lernen helfen (hilft tatsächlich), mit
meinem Exehemann mailen und ihm regelmäßig meine Meinung husten… du siehst, mir
ist es wirklich seeeehr langweilig.
Meine Krankheit ist allerdings ein Phänomen, mit dem viele
Frauen irgendwann einmal konfrontiert werden, haben meine Recherchen ergeben.
Das ist der Moment, wenn die Kinder erwachsen werden und beginnen, ihre eigenen
Wege zu gehen, der Mann aber noch arbeitet und für die Hausfrau plötzlich ganz
viel Zeit übrig bleibt. Dann wird der Tag sehr, seeehr lange.
Klar, man könnte viel Gutes tun, Yoga, Joggen, Reiten, Golf
spielen, das Haus dekorieren, ehrenamtlich arbeiten gehen… Manche Frauen kochen
und backen pausenlos, treten einem Bridgeclub bei oder einem Literaturverein…
kann man alles machen. Aber man muss es selber tun. Man muss sich dazu
aufraffen! Manchmal frage ich mich: „wozu das Ganze?“ Nur damit ich beschäftigt
bin? Damit ich mich nicht langweile?
Früher, als ich frisch verlassen war, drei kleine Kinder am
Rockzipfel hängen hatte und dabei keinerlei Sicherheiten vorweisen konnte,
hatte ich einen gefährlichen Säbelzahntiger hinter mir. Der trieb mich jeden
Tag an und jagte mich durchs Leben, um meine Brut zu füttern und die Rechnungen
bezahlen zu können.
Heute ist da niemand mehr, der mich antreibt. Abgesehen von
den Terminen meines Geliebten an den Wochenenden und den Kindern, die aus dem
Gröbsten auch schon raus sind.
Aber sonst… gääähn.
Weißt du, ich habe ja auch keinen Ehrgeiz, irgendwelche
sportlichen Rekorde brechen zu wollen und beim Seniorenmarathon mitzulaufen
oder auf Reitturniere zu gehen. Wobei ich meine sportlichen Aktivitäten
durchaus um eine Stunde täglich ausbauen könnte. Meinem komatösen Stoffwechsel
würde das keinesfalls schaden. Aber dann ist es wieder so bitter kalt! War der
Winter nicht lange genug? Ich bekomm’ noch die Motten. Töpfern wollte ich
draußen oder das Schwemmholz bemalen, oder den Garten verschönern. Mein Tun
sollte bitteschön auch irgendeinen Sinn haben. Selbst zum Shoppen hab ich keine
Lust mehr. Mein Schrankzimmer ist proppen voll! Ich habe ALLES!
Ich höre wie meine Perle angefahren kommt, ich muss hier
raus! Melde dich!
Rosa
Gelangweilt und unzufrieden blicke ich auf meinen
Wochenplan. Seit Januar habe ich mir angewöhnt, Pläne zu machen. Arbeits- und
Beschäftigungspläne, die ähnlich aussehen, wie die Stundenpläne meiner Kinder
für die Schule, nur eben hausfrauentauglich eingeteilt.
Von Januar bis Ende April gab es den 16 Wochen Diät-Plan.
Nach den Feiertagen hatte ich insgesamt 8 kg zuviel auf den Rippen, die ich
loswerden wollte. Jede Woche ein Pfund und mit der guten alten
Kalorienzählmethode. Mit Trennkost-, Low Carb- und sonstigen Balance-Diäten
hatte ich kein Glück. Im Gegenteil, da wurde ich immer noch fülliger.
Würde ich nicht täglich mindestens 2 Stunden Sport treiben,
könnte ich bei meinem verschlafenen Stoffwechsel schon so gut wie nichts mehr
essen.
Einzig und allein die Austerndiät im Osterurlaub hat mich in
einer Woche um sagenhafte 3 kg erleichtert. Vier schlechte Austern gegessen und
die Osterferien mit Brechdurchfall im Hotelbadezimmer verbracht. Das war die
einzige Diät mit Erfolg in den letzten Jahren.
Aber nun ist es Anfang Mai, mein 16-Wochen Plan ist
abgearbeitet, ich war bis auf die Diät total erfolgreich und so sitze ich an
meinem Schreibtisch und überlege mir einen Plan, von
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