Schuhwechsel
sitzen Heinz (75!) und Kommando-Karin (74!), die schon viel ruhiger geworden ist.
Karin zeigt auf eine der Flaschen und fragt Heinz: „ist das Schnaps?“ Heinz antwortet: „Nein, das ist Wein.“
Karin: „Das reicht ja nie!“
Heinz: „Na die werden ja wohl nachfüllen.“
Neben mir sitzt ein Pietro, ein Italiener Anfang 60, der mit drei Freunden den Camino von Anfang an gegangen ist. Pietro ist unterhaltsam, aufmerksam und höflich. Chantalle, mit ihrem schnellen Pilgerkollegen, ist auch in diesem Refugio angekommen und sitzt an meiner anderen Seite. Wieder bedauere ich, dass wir uns nicht in einer gemeinsamen Sprache unterhalten können. Pietro bedauert das nicht, denn er hört gar nicht auf, mich zu unterhalten und ich vermute bei ihm auch leicht gehärtete Kastanien. Er kommt aus Sardinien, ist ledig, hat keine Kinder und pilgert den Weg aus Glaubensgründen. Er ist ein bekennender Katholik, wie seine Freunde auch und genießt sein Leben. Arbeiten tut er nichts.
Aha.
Das Abendessen wird serviert und es ist schlichtweg der Hammer. Für 7,00 Euro gibt es eine Gemüsesuppe, gemischten Salat mit Oliven und viel Thunfisch, dann Spaghetti Carbonara und zum Dessert wird eine Art Créme brúlée gereicht. Wasser und Wein, der tatsächlich mehrmals nachgefüllt wird, sind inklusive.
Heinz ist mit seinem Sohn diesen Weg vor ein paar Jahren schon einmal gegangen und er kannte dieses Refugio. Er hat eine Karte dabei, in der alle guten Refugios eingezeichnet sind und ich merke mir mal gleich eines für den nächsten Tag. Morgen steht der O Cebreiro auf dem Plan. Laut meinem Reiseführer ist der Abschnitt „eine der landschaftlich ergreifendsten Etappen“ und der Beginn von Galizien.
Hilde und ich wünschen uns eine gute Nacht und sie ermahnt mich, auf meine Träume zu achten. „Hier in diesem Haus sind sie etwas Besonderes.“
In dem Bett über mir schläft eine zarte Frau meines Alters, die den Camino duro durch die Natur gegangen ist. Sie fand den Weg wunderschön und gar nicht so hart, wie er angekündigt wurde. Ich ärgere mich schon wieder über meine Blödheit und beschließe diesen ganzen Weg auf alle Fälle noch einmal zu gehen.
Um 22.00 Uhr ist Nachtruhe angesagt und das bedeutet exakt genau das, was es heißt: Absolute Ruhe! (ausgenommen sind schnarchen, röcheln und pupsen) Die Pilgergemeinschaft wird höflich, aber bestimmt ins Bett geschickt.
Unter normalen Umständen würde ich mir solch eine Vorschrift nicht gefallen lassen, aber wenn man jeden Tag um die 30 km marschiert, einen viel zu schweren Rucksack trägt, den Tag über wenig isst, dann ist man nach einem opulenten Abendmahl und zwei Gläsern Wein so müde, dass man es kaum erwarten kann, bis man endlich ins Bett darf.
Selbst wenn es sich dabei um völlig ausgelegene Matratzen in eisernen Stockbetten handelt.
Tag 5:
von Ruitilan bis Fronfria
Pünktlich um 6.30 Uhr schallt das „Ave Maria“ durchs Haus. Ein christlich humaner Weckappell, der die Pilger aus den Betten jagt. Spätestens um 9.00 Uhr müssen wir alle weg sein, denn dann wird gefegt und geputzt und die Herberge für den nächsten Run vorbereitet.
Heute geht es einen Berg hinauf, in das Museumsdorf O´Cebreio, dann über die Grenze nach Galizien und den Berg zum Teil wieder hinunter. Manche bezeichnen diese Route als sehr steil und die Berge als hoch, aber wenn man die Schweizer Berge kennt, würde man diese hier wohl eher als „Hügel“ bezeichnen. Wie immer ist alles relativ.
Trotzdem gebe ich nach dem Frühstück meinen Rucksack ab. Für ein paar wenige Euro gibt es die Möglichkeit, den Rucksack in die nächste, gewünschte Herberge fahren zu lassen. Diesen Luxus gönne ich mir heute, denn wie steil dieser Berg wirklich ist, weiß ich ja von unten betrachtet noch nicht. In meinem Pilgerführer steht etwas von „der Überwindung eines Passes“ und das klingt ja schon ziemlich anstrengend. Zum ersten Mal auf dieser Reise weiß ich morgens schon, wo ich abends übernachten werde. Damit ist meine nächste Etappe festgelegt und hat ein Ziel.
Die ersten Kilometer laufen sich sehr zäh, aber es ist ja auch noch ziemlich früh am Morgen.
Meine Träume waren ein Desaster und verfolgen mich noch. Einmal bin ich überfallen worden und der Gegner hatte plötzlich mein Pfefferspray in der Hand. In einem anderen Traum habe ich von meiner Freundin Claudia geträumt, auf die ich eigentlich sauer bin. Es gab keine Handlung, sondern nur ein Gefühl voller Liebe und tiefer
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