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Schuhwechsel

Schuhwechsel

Titel: Schuhwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Villas
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falsches Wort den Tod bedeuten würde, sagten sie lieber nichts und prägten sich die neuen Namen ein.
    Auf der Flucht nach Dänemark bekam Berta zum ersten Mal die Auswirkungen des Krieges hautnah mit. Es war Winter, es war eiskalt und sie bekamen nur wenig zu Essen. Ganz anders als zuhause in ihrem Gutshaus, in dem das Personal dafür sorgte, dass es der Familie an nichts fehlte.
    Plötzlich und völlig unvorbereitet, wurden Berta und ihre Geschwister mit der Realität des Krieges konfrontiert. Mit Kälte, Hunger und Angst.
    Die Angst und die Ungewissheit waren das Schlimmste, sagt sie. Sie wusste nicht, was plötzlich geschehen war und wie es weitergehen würde. Von ihren Eltern erfuhr sie nichts. Fragen zu stellen traute sie sich nicht. Sie sah einige tote Menschen und vor allem Kinder, am Wegesrand liegen. Der Boden war gefroren, man konnte sie nicht beerdigen. Sie wurden nur notdürftig mit Schnee bedeckt, den der eisige Wind wieder fortbließ.
    Als sie über einen zugefrorenen Fluß gingen, brach ihr Wagen ein. Sie konnten zwar alle rechtzeitig abspringen, aber ihre Brüder wurden trotzdem nass. Das Pferd versank mit samt dem Wagen. Sie verloren das Wenige, was sie noch hatten und gingen zu Fuß weiter.
    Bei zweistelligen Minustemperaturen nass zu werden, ohne eine Aussicht auf etwas Warmes und Trockenes, ist nicht gut. Karl, der schon immer der zartere der Brüder war, wurde krank. Er bekam sehr hohes Fieber und kaum mehr Luft. Gehen konnte er auch nicht mehr. Der Vater zog ihn auf einer notdürftig zusammengebauten Bahre hinter sich her, aber das half nichts mehr. Karl starb wenige Tage später. Sie mussten seinen toten Körper zurücklassen.
    Friedrich, der ältere Bruder, wurde schneller warm und überlebte. Zumindest die Flucht.
    Der Tod von ihrem Bruder Karl setzte Berta ziemlich zu. In ihrem kindlichen Glauben war sie überzeugt davon, dass Karl irgendjemanden erzählt hatte, wer sie wirklich waren und deshalb sterben musste.
    Nachts hörten sie die Bomben fallen. Manchmal sah man am Horizont den Lichtschein der brennenden Städte. Tags versteckten sie sich so gut es ging und hofften, von den Fliegern nicht gesehen zu werden.
    Endlich erreichten sie Dänemark. Zusammen mit anderen Flüchtlingen, kam die Familie in ein Lager. Das Flüchtlingslager war voll, schmutzig und es gab wieder nur sehr wenig zu Essen. Als Tochter aus gutem Hause, die Personal, Brüsseler Spitzen und feinstes Meißner Porzellan gewöhnt war, kam ihr dieses Leben wie ein Alptraum vor, von dem sie hoffte, dass der Traum demnächst ausgeträumt wäre und sie in ihrem warmen Bett zu Hause erwacht.
    Aber sie erwachte nicht in ihrem schönen, sauberen und warmen Bett, sondern jeden Morgen im Lager.
    In diesen Betten gab es Wanzen, die Bertas Beine anknabberten. Sie trägt heute noch die Narben an den Oberschenkeln.
    Der Vater war sehr streng und knallhart. Die Mutter weinte viel und sprach immer weniger. Vater hatte ihnen verboten, mit anderen zu sprechen. Es wäre zu gefährlich. „Wenn wir uns verraten würden, würden wir alle erschossen werden.“
    Ungefähr zwei Jahre später, der Krieg war längst vorbei, wurde die Familie in die Gegend von Hannover verschickt. Sie wurden einem Bauernhof zugeteilt und mussten kräftig mitarbeiten. Jeden Abend schärfte ihnen der Vater aufs Neue ein, zu schweigen. Dann beteten sie. Langsam gewöhnte sich Berta an die neue Identität.
    Der Vater und der Bruder arbeiten wie verrückt. Die Bauern waren nett zu der Familie und so bekamen sie ab und zu ein paar Kartoffeln extra. Die Mutter half bei der Wäsche und putzte das Haus. Berta ging vormittags in die Dorfschule. Nachmittags half sie auf dem Bauernhof mit, passte auf die kleineren Kinder auf oder half bei der Ernte. Sie beteten viel und gingen jeden Sonntag in die Kirche.
    Als Flüchtlingskind, das nicht viel redete, lag sie in der Beliebtheitsskala ihrer Mitschüler ganz unten und sie hatte keine Freundinnen. Dem Vater war das recht. Wo keine Freunde, da keine Gefahr, dass sich Berta verraten würde.
    In einem Frühjahr trat Friedrich, ihr älterer Bruder, in einen rostigen Nagel und starb kurze Zeit später an einer Blutvergiftung.
    Die Mutter, wurde nach dem Tod des zweiten Sohnes immer stiller. Mit dieser Art von Leben kam sie nicht zurecht. Sie war eine höhere Tochter aus gutem Hause und ein Leben lang gewohnt gewesen, Personal zu haben und nicht zu sein. Da ihre Heimat verloren, ihre Söhne tot, ihre Familie verlassen und sie diejenige,

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