Schuhwechsel
deshalb auch die ganzen Unglücksfälle. Dass sie stürzt, Blasen an die Füße bekommt, überfallen wird, beklaut wird. Vielleicht bestraft sie sich selbst damit, weil sie denkt, dass Selbstbestrafung gleichgesetzt ist mit Buße tun und dann vergeht die Schuld schneller?! Wer weiß das schon so genau?
In jedem Fall hat Berta selber ja nichts getan, sie war ja noch ein Kind und wusste in ihrer Gutsherrenkindheit nicht, wie schlimm der Krieg wirklich war. Und trotzdem übernahm sie die Schuld ihres Vaters. Instinktiv? Mit der tiefen Verbundenheit, die Kinder zu ihren Eltern fühlen?
So etwas machen Kinder ja gerne. Aus grenzenloser Liebe zu ihren Eltern versuchen sie die Probleme der Eltern „zu übernehmen“ in der Hoffnung, dass es den Eltern dann besser geht.
Tatsächlich kopieren sie die Probleme der Eltern auf sich selbst. Den Eltern wird dadurch nicht geholfen und die Kinder haben ihr Leben lang damit zu tun, diese Themen wieder aufzulösen.
Ich denke noch eine ganze Weile so vor mich hin und bin froh, dass ich einen Gedanken habe, an den ich mich halten kann. Dieses Chaos in meinem Hirn, mit dem ich gestern durch die Gegend wandelte, war ja schrecklich. Alle möglichen Gedanken wirbelten wild durcheinander und ließen sich nicht fassen.
Das ist, als würde man gehen, aber wüsste nicht wohin.
Na, wenigstens das ist klar. Santiago de Compostela. Zum Sternenfeld. Auf dem Weg, der die Milchstrasse des Himmels auf der Erde widerspiegelt.
Alle Pilger auf dem Jakobsweg wollen zum Sternenfeld. Jeder in seinem eigenen Tempo, allein oder in der Gruppe, mit Schmerzen und Leid oder ohne, mit Kummer und Sorgen oder ohne.
Solange ein Schiff ein Ziel hat, kann es in diese Richtung Fahrt aufnehmen. Wenn es kein Ziel hat, schlingert es ziellos auf dem Ozean des Lebens umher.
Ich muss dem Tag ebenfalls eine Richtung geben. Ich muss mir etwas vornehmen oder etwas planen, sonst schlingere ich richtungslos durch den Tag und bekomme nichts gebacken.
Das ist langweilig und auf Dauer macht es total unzufrieden. Ja, man könnte das „Jammern auf hohem Niveau“ nennen. Ist es auch. Trotzdem bleibt der Jammer. Egal auf welcher Höhe.
Wenn man gerne arbeitet ist Arbeitslosigkeit nun mal keine Freude. Ich möchte wissen, warum ich morgens aufstehe. Es ist ein gutes Gefühl, am Ende des Tages etwas erreicht zu haben, was eine Art von Befriedigung erzeugt. Nicht zu wissen, was man mit dem Tag anfangen soll, ist (für mich zumindest) grauenhaft.
Und natürlich geht es auch ums Geld. Nicht zu wissen, was man mit dem Tag anfangen soll und dann auch noch Existenzängste aushalten zu müssen ist eine Kombination, die vermutlich keiner braucht.
Aber: (und jetzt sind wir mal wieder bei der anderen Seite des Problems angekommen) Ein Problem trägt das „Pro“ also das „für“ in sich. Muss also etwas Positives sein. Sonst wäre es ja ein „Contrablem“. Und es gibt Menschen, die ihr ganzes Leben damit verbringen Probleme zu lösen. Geschäftliche Probleme, persönliche Probleme, Probleme von anderen Leuten… warum tun sie das wohl?
Vermutlich, weil in jedem gelösten Problem das Erfolgsgefühl steckt. Kennt doch jeder. Hab ich ein Problem gelöst, bin ich erleichtert, erfreut, glücklich und habe sogar noch etwas gelernt: Nämlich wie ich das Problem löse. Das kann ich beim nächsten Mal wieder so machen und das gibt mir obendrein auch noch Selbstvertrauen. Außerdem kann ich anderen Menschen davon berichten, wie man dieses und jenes Problem am besten lösen kann und damit helfe ich ihnen. Jemandem geholfen zu haben, gibt ebenfalls ein gutes Gefühl, weshalb der Mensch gerne hilft. Also ist ein Problem in Summe etwas Hervorragendes, sofern man sich aufrafft, dafür eine Lösung zu finden.
Es lebe das Problem.
Heute läuft es sich schwer. Aber es schreibt sich gut. Habe einen Schnupfen bekommen. Vermutlich war die feuchtkalte, abgestandene und unsaubere Klosterluft nichts für meine Atmungsorgane. Wer weiß denn schon so genau, ob in diesen alten Gemäuern nicht doch noch Reste von Tuberkulose aus früheren Zeiten kleben. Wie gesagt, in den Klostermauern waberte eine ungute Energie. Das ließ sich auch durch den sauberen weißen Putz und die moderne Malerei nicht verbergen. Es roch nach Krankheit, Leiden und Tod.
Wobei der Tod an sich nichts Schlimmes ist, fällt mir dazu gerade ein. Er ist mir schon ein paar Mal begegnet. Eine ganz besondere Begegnung mit ihm hatte ich vor fast genau 11 Jahren, als meine kleine Tochter
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