Schulden ohne Suehne
nicht bei allen Eurostaaten gleich groß. Auch die Fähigkeiten zu helfen sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. Da sind die Länder, die selbst nahe am Abgrund stehen. Diese Länder fürchten, dass die Insolvenz eines Eurostaats sie mit in den Abgrund reißt. Die Kandidaten heißen Portugal, Italien, Spanien und Irland. Doch die Staaten, denen solche Ansteckungseffekte drohen, sind trotzdem nicht die Samariter in diesem Dilemma. Sie haben zwar ein wirklich großes Interesse daran, dass die Eurostaaten insolventen Mitgliedern des Euroclubs helfen. Aber sie sind einfach zu arm, um selbst zu helfen.
Die reichen Eurostaaten dagegen mussten bei der Griechenlandrettung zwar noch nicht befürchten, dass der finanzielle Bankrott Griechenlands sie selbst direkt in den Schuldenabgrund reißt. Sie müssen aber fürchten, dass ein einzelner Staatsbankrott in der Eurozone andere schwache Staaten ansteckt und so ein Flächenbrand entsteht. Wenn erst einmal mehrere Staaten der Eurozone auf den Schuldenabgrund zutreiben, könnte sich das auf die Funktionsfähigkeit der Europäischen Union auswirken und das Vertrauen, das die Kapitalmärkte dem Euro entgegenbringen, erschüttern. Auch könnte möglicherweise eine neuerliche Vertrauenskrise zwischen den Kreditinstituten eintreten. Das trifft auch die reicheren unter den Eurostaaten. Das Interesse daran, eine Insolvenz hoch verschuldeter Staaten zu vermeiden, ist bei den reichen Staaten also vielleicht nicht ganz so groß wie bei den Staaten am Abgrund. Dafür ist ihre Fähigkeit zur Hilfe erheblich größer.
Samariter müssen also zwei Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen helfen wollen. Und sie müssen helfen können. Deshalb kann man damit rechnen, dass es die finanziell halbwegs gesunden Staaten sein werden, die gegebenenfalls den Pleitekandidaten helfen.
Man kann die mutmaßlichen Samariter in der Eurozone noch etwasgenauer eingrenzen. Unter den reicheren Staaten werden sich dabei wohl besonders die großen Staaten hervortun. Luxemburg mag Griechenland oder Spanien gern retten wollen. Aber trotz all des Wohlstands seiner Bürger: Für eine solche Rettung reichen die Reserven des Landes dann doch nicht aus. Retten werden eher die Großen: Sie haben viel zu verlieren, weil alle Bürger dieser Staaten betroffen sind, und weil es in diesen Staaten eben viele Bürger gibt. Und die Kosten der Hilfe pro Kopf der Bevölkerung sind für die größten Staaten am allerkleinsten. Es war deshalb im Frühjahr 2010 leicht vorherzusagen, dass Deutschland zwar mit wenig Elan, aber gegebenenfalls ganz vorn mit dabei sein würde, was den Finanzierungsanteil an einer Rettungsaktion angeht.
Eine Sonderrolle für die Rettungsbereitschaft der deutschen und französischen Regierung hatten auch noch die Banken in den beiden Ländern. Einige darunter hatten ihre Bücher besonders stark mit griechischen Staatsschuldtiteln gefüllt. Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hatten deutsche und französische Banken zum Ende des 2. Quartals 2010 Forderungen gegenüber Griechenland in Höhe von 65,4 und 83,1 Milliarden Euro, von denen ein erheblicher Teil auf Kredite an den öffentlichen Sektor in Griechenland gingen. 103 Den Regierungen der beiden Länder stand im Fall einer Staatspleite Griechenlands eine erneute Rettung der heimischen Banken ins Haus – unter wahltaktischen Gesichtspunkten keine verlockende Perspektive. Im Rahmen der Rettung soll den Banken das Versprechen abgenommen worden sein, ihr Griechenlandengagement weiter aufrechtzuerhalten. Gehalten haben sich daran bestenfalls einige deutsche Banken. Französische Banken haben ihr Engagement bis zum Dezember 2010 von ursprünglich 27 Milliarden Euro auf 15 Milliarden Euro reduziert. 104
Die Anreizwirkungen von Staatsrettungen im Euroland
Erinnern wir uns an das Samariter-Problem in der Vater-Sohn-Beziehung. Der hilfsbereite Vater zahlt die Schulden für den Sohn.Dadurch wird der Vater ärmer und der Sohn reicher. Das ist schlecht für den Vater und gut für den Sohn. Für sich betrachtet ist das eigentlich nicht schlimm. Ist die Notlage des Sohns erst einmal eingetreten, hilft der Vater aus freien Stücken. Es geht also nicht nur dem Sohn, sondern auch dem Vater besser, wenn der Vater die Schulden begleicht. Das eigentliche Problem ist nicht die Hilfe selbst.
Das eigentliche Problem besteht in den Verhaltensanreizen, die sich ergeben, bevor der Sohn in die finanzielle Notlage gerät. Der Sohn weiß,
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