Schule der Lüfte wolkenreiter1
nickte und sah Philippa nach, als sie den Hof überquerte und zur Flugkoppel ging. Philippa trug ein wollenes Unterhemd unter ihrem Wams und dicke Wollsocken in ihren Stiefeln, doch auf ihren Wangen brannte die Kälte. Die Aussicht auf die eisige Luft hoch oben am Himmel ließ sie erschauern.
Als Philippa sich Soni näherte, stampfte die Stute mit den Hufen und begrüßte sie mit einem Wiehern. Sie warf den Kopf hoch und zerrte an dem Seil, das Rosella, das Stallmädchen, in der Hand hielt. Philippa streifte ihre Handschuhe über und löste die Leine, die Rosella sich sogleich über den Arm wickelte. »Ich danke dir.« Sie nahm die Zügel zur Hand. »Ich glaube, Soni friert genauso wie wir.«
»Ja, Meisterin. Ihr wird aber bestimmt bald warm werden. Die weite Strecke bis ins Hochland ist doch ein hartes Stück Weg, habe ich Recht?«
»Das stimmt«, erwiderte Philippa. »Soni wird es dabei schön warm werden, ich dagegen werde zu einem Eiszapfen gefrieren.«
Rosellas sommersprossiges Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, das ihre Zahnlücken zeigte. »Möchten Sie vielleicht einen Haltegurt, so wie die Mädchen aus dem ersten Jahrgang?«
Philippa schnaubte verächtlich. »Da nehme ich lieber das Risiko in Kauf.« Ihre Stute tänzelte zur Seite und peitschte mit dem Schweif hin und her.
Rosella trat zurück und rieb ihre roten Hände. »Muss ja etwas Wichtiges geben, da oben im Hochland, wenn Sie dafür so weit reisen und Ihre Klasse allein lassen«, mutmaßte sie und legte neugierig den Kopf schief.
»Möglich.« Philippa straffte sich, ging dann in die Knie
und sprang mit einem Satz in den Sattel, ein perfektes Aufsitzen aus dem Stand. Andere Reiterinnen in ihrem Alter waren auf den Steigbock angewiesen, den sie jedoch verachtete. Es war eine Frage des Stolzes. »Das werde ich hoffentlich bis zum Einbruch der Dämmerung wissen.« Sie zupfte an den Zügeln, und Soni schlug mit den Flügeln, so dass die seidige Membrane raschelte. Kristallene Tautropfen spritzten auf, wo die Flügelspitzen das Gras berührten.
»Also dann.« Rosella akzeptierte mit einem gutmütigen Schulterzucken, dass ihre Neugierde nicht befriedigt worden war. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Pferdemeisterin. Und guten Flug.«
Philippa tippte mit der Reitgerte an den Schirm ihrer Mütze und ließ Soni angaloppieren.
Seit das Fohlen auf der Welt war, hatte Lark nicht mehr in ihrem eigenen Bett geschlafen. Ihre Brüder machten ihr auf unterschiedliche Art klar, dass sie davon nichts hielten – Edmar murrte, Broh erklärte, das Fohlen müsse endlich daran gewöhnt werden, allein zu bleiben, und Nikh bot an, an ihrer Stelle die Nacht im Stall zu verbringen. Lark wies alle drei Vorschläge zurück. Sie brachte es irgendwie nicht übers Herz, das kleine Wesen sich selbst zu überlassen; genauso wenig konnte sie den Gedanken ertragen, dass jemand anders bei ihm war. Schließlich lenkten ihre Brüder ein. Edmar grummelte weiter, doch Nikh brachte ihr Kissen und Decken, und Broh fand eine alte Decke, die sie dem Fohlen zum Schutz vor der nächtlichen Kälte umlegen konnte. Lark verließ den Stall nur zum Essen, zum Melken oder um die Butter zu schlagen, die Nikh in der Nachbarschaft verkaufte. Alle anderen Aufgaben vernachlässigte sie.
Sie konnte sich schon kaum mehr daran erinnern, wie ihr Leben ausgesehen hatte, bevor das Fohlen auf die Welt gekommen war.
Als Broh am Vormittag vor dem Scheunentor stand und nach ihr rief, riss er sie aus tiefem Schlaf. Er wagte sich nicht in die Nähe des Stalls. Die Brüder hatten schnell gelernt, dass das Fohlen ihre Nähe nicht ertragen konnte. Es wimmerte und versuchte, so weit wie möglich von ihnen fortzukommen, so dass Lark ihre Brüder gebeten hatte, einen gewissen Abstand einzuhalten. Sie hatten bald ihre Versuche aufgegeben, die Pflege des Fohlens ganz und gar ihrer Schwester überlassen und, so gut es ging, Larks Aufgaben übernommen. Schafften sie es nicht, ließen sie die Arbeiten eben einfach liegen.
Jetzt ruhte das Fohlen ausgestreckt neben ihr und schlief tief und fest. Lark rollte sich von ihrem Lager aus Stroh und Decken und öffnete die obere Hälfte der Stalltür. »Ich bin hier«, antwortete sie. Das Fohlen hob den Kopf, stand ebenfalls auf und schüttelte sich, woraufhin die Decke verrutschte.
»Der Vogt kommt!«, verkündete Broh so knapp wie möglich, aber Lark verstand dennoch ihren gewichtigen Inhalt. Die Ankunft von Meister Mickelwitt, des Vogts von Willakhiep,
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