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Schule versagt

Schule versagt

Titel: Schule versagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Faltin , Daniel Faltin
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Silvesterkracher, die zur Feier des Tages angeschafft worden waren. Jedes Kind durfte sich einen aussuchen. Die Eltern tranken Tee und Limonade, lachten und freuten sich für uns. Ich weiß nicht mehr, für welchen der bunten Böller ich mich entschied, doch eines ist mir von dem Tag in Erinnerung geblieben   – ein unsicheres Gefühl. Während meine Freunde es nicht mehr erwarten konnten, in die erste Klasse der Grundschule zu wechseln, endlich auch zu »den Großen« gehören zu können, war ich mir nicht sicher, ob das wirklich eine Verbesserung sein würde. Ich war und bin bis heute Autodidakt und hatte es sehr genossen, dass die Erzieherinnen mich gewähren, mich in meinem Tempo lernen und entdecken ließen. Was bedeutete: ohne Pause, im fünften Gang. Ich lernte sehr schnell, meist über das Gehör, und so konnte ich die Hörspiele auf den Kassetten, die es im Kindergarten gab, bald auswendig rezitieren. Wenn die anderen nachmittags zum Schlafen geschickt wurden, weigerte ich mich entschieden. Es gab zu viel zu entdecken und da ich nichts anstellte und die anderen nicht störte, ließen mir die Erzieherinnen freie Hand. »Irgendwann wird er schon vor Müdigkeit umfallen«, meinten sie. Das Gewährenlassen war meinen Eltern ganz recht. »Unser Sohn schläft nachts wie ein Stein«, sagte meine Mutter. »Von sieben bis sieben, ganz ruhig und fest.« So konnte ich ungestört die Welt entdecken, meine Erzieherinnen hatten eine Sorge weniger und meine Eltern nachts erholsamen Schlaf.
    Der Tag der Einschulung war schließlich gekommen. Ich freute mich über das überdimensionale Hütchen, die glitzernde Schultüte. Sechs Jahre auf dem Zähler, nichts geleistet und trotzdem ’ne dicke Tüte Süßigkeiten in der Hand. »Bitte lächeln!« Blitzlicht, Jubel, Geklatsche, und wir waren für immer auf Zelluloid verewigt   – Klasse 1   C, »Die Bienen«, war offiziell an der Grundschule aufgenommen. Einen unbeschwerten Tag hatten wir hinter uns   – 13 quälende Jahre lagen noch vor uns.
    Das bekamen wir schon ab dem zweiten Tag zu spüren. Der Zufall sollte Frau B. zu unserer Klassenlehrerin machen. Sie war Mitte 50 und ihre schulpädagogische Ausbildung stammte demzufolgeaus den 1950/​60er-Jahren. Sie war Grundschullehrerin aus Überzeugung, verstand keinerlei Spaß und war mit den Schülern völlig überfordert. Sie lachte selten bis gar nicht, niemals aber spontan, und ihre Mundwinkel waren stets nach unten gezogen. Dass nach 30   Jahren althergebrachte Tradition und Pädagogiktheorien nicht mehr so recht passen wollten, ignorierte Frau B. beharrlich.
    Zudem hatte sie eine Mission: Jeder Schüler und jede Schülerin sollte in den Genuss einer Ausbildung an der Blockflöte kommen   – von ihr persönlich, versteht sich. Die Mehrzahl der Schüler fügte sich ihrer Anordnung ohne Widerworte, und es gab auch einen kleinen Teil, der nur darauf brannte, endlich in der hohen Kunst des Flötens unterrichtet zu werden. Und es gab mich. Der einzige Schüler, der sich nicht ohne Widerworte das Stück Holz in den Mund schieben ließ. Mein Interesse galt der Gitarre, Flöte war mir zu langweilig und eine Zumutung für die Ohren   – schließlich konnte keiner von uns spielen. Ich war noch zu jung für die Spielregeln des Opportunismus und gepaart mit kindlicher Naivität konfrontierte ich Frau B. und versuchte deutlich zu machen, dass ich an einem anderen Instrument unterrichtet werden wollte. In ihrer Lesart hieß das, dass ich sie persönlich nicht wertschätzte, was ihrerseits zu einem Vergeltungsschlag führte. Ab diesem Moment zählten objektive Leistungen und Begabungen nicht mehr. Sofort wurde mir sämtliches Rhythmusgefühl abgesprochen, ich könne keinen Takt halten, eine Stimme hatte ich auch nicht, auch kein Gehör und taugte demzufolge auch nicht zum Singen. Im Prinzip war ich eine einzige Zumutung für sie   – musikalisch völlig unbegabt, nicht förderungswürdig   – Note Vier; aber auch nur gerade so. Tag zwei, Lektion eins: Kritische Aussagen von Schülern werden selbstverständlich als persönliche Angriffe genommen. Frau B. ritt unerbittlich ihren Kreuzzug   – entweder ich lerne Flöte spielen, wie jeder andere auch, oder sonst   … Ich fügte mich schließlich, doch Spaß machte mir das Flötespielen nie und demzufolge tendierte der Lernerfolg gen null. Beim Musizieren in der Gruppe war ich folglich der perfekte Kandidat für das einzige Instrument im Arsenal, welches weder viel

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