Schumacher, Jens - Deep
warfen, der zum Büro des Inhabers führte.
Schulterzuckend stellte sich Becca ein Stück hinter den beiden an, während Henry, der am Mittag keine Zeit dazu gefunden hatte, sich ein wenig umzusehen, das Geschäft in Augenschein nahm.
An der Decke drehte sich quietschend ein uralter Deckenventilator und schob die warme, stickige Luft im Innern des Geschäfts umher, ohne Kühlung zu verschaffen. Die Wände waren bedeckt mit gerahmten Fotografien, von denen die meisten den Besitzer des Geschäfts zeigten, wie er breit grinsend mit Tauchgruppen vor malerischen Buchten posierte. Darunter reihten sich Vitrinen aus verschmiertem Glas, in denen Tauchmasken, Schnorchel und Atemregler zu bewundern waren. Das gesamte Equipment wirkte mitgenommen, vieles davon funktionsuntüchtig. Hinter dem Tresen stapelten sich verbeulte Pressluftflaschen, daneben baumelte ein Schlauch aus der Wand, von dem ein leises Zischen ausging.
Ein Laden wie dieser hätte in Kanada niemals eine Konzession erhalten, und plötzlich war Henry heilfroh, dass sein Lungenautomat so problemlos funktioniert hatte.
Mit gerümpfter Nase drehte er sich zu Becca um, die ihn jedoch gar nicht beachtete. Stattdessen lauschte sie mit konzentriertem Gesicht dem Gespräch der beiden Indonesier, die vor ihr am Tresen standen. Henry schlenderte hinüber, wobei er die Männer genauer musterte.
Der rechte war hager und einen halben Kopf größer als der andere. Er hatte einen fettigen schwarzen Pferdeschwanz, trug ein verwaschenes T-Shirt mit der Aufschrift Hardrock Cafe Singapore und bestritt den Großteil der Unterhaltung. Nur hin und wieder wurde er von seinem Begleiter unterbrochen, einem breitschultrigen, untersetzten Typ mit raspelkurz geschorenem Haar und hohen Wangenknochen. Da sie sich in der Landessprache unterhielten, verstand Henry kein Wort. Die Erzählung des Langhaarigen schien jedoch ziemlich fesselnd zu sein – sowohl sein Kumpel als auch Becca, die dezent einen Schritt näher an die beiden herangetreten war, lauschten aufmerksam.
»Verstehst du, was der da redet?«, erkundigte sich Henry leise.
Das Mädchen nickte. »Ich war schon so oft bei Onkel Harry zu Besuch, dass ich ein paar Brocken Basa Jawa kann.«
»Und was sagt er?«
Mehrere Sekunden vergingen, bevor Becca antwortete. »Offenbar haben zwei Fischer … nein, er verwendet ein Wort, das eher ›Schatzsucher‹ bedeutet … offenbar haben sie hier in der Nähe ein ziemlich großes Wrack entdeckt.«
»Ein Wrack?« Henry legte den Kopf schräg. »Vielleicht meint er die gesunkene Jacht, die wir vorhin …«
Sie schüttelte den Kopf und lauschte weiter. »Das Wrack war größer«, übersetzte sie. »Viel größer.«
»Ach?«
»Es handelte sich auch nicht um ein normales Schiff, sondern … Ich kenne den Ausdruck nicht, den er benutzt, aber ich könnte mir denken, dass es sich um ein Unterwasserfahrzeug handelt.«
»Ein gesunkenes U-Boot? Vor der javanischen Küste?«
Der Kerl mit dem Pferdeschwanz drehte den Kopf und sah in ihre Richtung, worauf Becca rasch den Blick abwandte und so tat, als suche sie in ihrer Geldbörse nach Münzgeld. Daraufhin redete der Mann mit gedämpfter Stimme weiter, wurde aber nach wenigen Sätzen unterbrochen, als der Ladeninhaber aus dem Büro nach vorne kam. Er trug denselben knallroten Neoprenanzug mit kurzen Beinen, den er vier Stunden zuvor getragen hatte, in seinem Mund steckte offenbar derselbe halb gerauchte Zigarillo.
Die Männer reichten ihm ihre Pressluftfaschen über den Tresen und wechselten einige unverständliche Sätze, dann verließen sie das Geschäft.
Ohne dem Indonesier Zeit zu lassen, die Flaschen fortzuräumen, knallte Becca ihre und Henrys Ausrüstung vor ihm auf den Tresen, sagte einige holperige Sätze auf Basa Jawa und ließ eine Handvoll Rupien folgen. Bevor Henry es sich versah, hatte sie ihn am Arm gepackt und zog ihn hinter sich her in Richtung Tür.
»So war das aber nicht gedacht, dass du für uns beide zahlst«, beschwerte er sich, als sie auf die Straße hinaustraten. »Dafür spendiere ich gleich die Burger, damit das klar ist. Hey, wo willst du hin?«
Die beiden Männer, die vor ihnen den Laden verlassen hatten, standen ein paar Meter weiter am Stützpfeiler des hölzernen Vordachs und rauchten eine Zigarette. Becca hielt zielstrebig auf sie zu.
»Der eine hat erwähnt, die Typen, die das Wrack gefunden hätten, seien total verstört gewesen, als sie zurück an Land kamen.« Becca drehte sich um und zwinkerte Henry zu.
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