Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwaerzer als der Tod Thriller

Titel: Schwaerzer als der Tod Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
Vom Netzwerk:
Termine bei Ärzten und Therapeuten für ihn vereinbarte? Wäre Tommys Vater derjenige, der sich die Geschichte von seinem schrecklichen Erlebnis anhörte, ihm Trost und Halt gab? Oder war Tommy brav nach Zeitplan ins Bett gegangen, und es blieb ihm überlassen, mit seinen Empfindungen allein fertig zu werden?
    Anne tat das Herz weh, als sie in die Dunkelheit starrte und zusah, wie die Lichter in den Fenstern der Nachbarhäuser eins nach dem anderen ausgingen. Ein langer Tag war zu Ende, aber für Tommy und Wendy und Dennis hatte eine noch viel längere Zeit quälender Erinnerungen gerade erst begonnen.

7
    Tommy saß auf der obersten Stufe der Treppe und lauschte. Eigentlich hätte er längst im Bett liegen sollen. Er hatte gebadet, wie er es an jedem zweiten Abend tat. Er hatte seinen Schlafanzug angezogen und sich unter der Aufsicht seines
Vaters die Zähne geputzt. Seine Mutter hatte ihm sein Allergiemittel gegeben, damit er schlafen konnte. Er hatte so getan, als würde er es schlucken.
    Er wollte nicht schlafen. Wenn er einschlief, dann würde er bestimmt die tote Frau sehen, und er war sich ziemlich sicher, dass sie in seinem Traum die Augen öffnen und mit ihm sprechen würde. Oder vielleicht würde sie den Mund öffnen, und Schlangen kämen heraus. Oder Würmer. Oder Ratten. Er war sich nicht sicher, ob er jemals wieder schlafen wollte.
    Andererseits traute er sich aber auch nicht, nach unten zu gehen. Seine Mutter würde sich nur aufregen, weil es siebenundzwanzig Minuten über seine Schlafenszeit war. Es war nicht gut, den Zeitplan durcheinanderzubringen. Außerdem schrie sie sowieso schon - seinetwegen.
    Was sollte sie jetzt tun? Was sollte sie sagen, wenn jemand sie danach fragte, was passiert war? Die Leute wären bestimmt der Meinung, sie hätte ihn von der Schule abholen sollen. Sie würden sie für eine schlechte Mutter halten.
    Sein Vater sagte, sie solle sich beruhigen, das sei einfach lächerlich.
    Tommy zuckte zusammen. Das war sehr ungeschickt von seinem Vater. Er hätte es eigentlich besser wissen müssen. Die Stimme seiner Mutter wurde jetzt richtig schrill. Von seinem Platz auf der dunklen Treppe aus konnte er sie nicht sehen, aber er wusste, was sie für ein Gesicht machte. Ihre Augen quollen hervor, ihr Gesicht war knallrot, und auf ihrer Stirn pochte eine große Ader, die wie ein Blitz aussah.
    Tommys Augen füllte sich mit Tränen, er presste sich an die Wand und schlang die Arme um sich, tat so, als würde sein Vater ihn in den Arm nehmen und ihm sagen, alles würde wieder gut werden und er müsste keine Angst haben. Das war es, was er sich wünschte. Aber es würde nicht geschehen.
    Seine Mutter schwadronierte inzwischen weiter, dass sie
mit ihm zu einem Psychiater gehen müsste und wie furchtbar das wäre - für sie.
    »Es tut mir leid«, flüsterte Tommy. »Es tut mir leid.«
     
    Manchmal machte er nichts als Schwierigkeiten. Es war keine Absicht. Es war nicht seine Absicht gewesen, über eine tote Frau zu stolpern.
    Er stand geräuschlos auf, ging zurück in sein Zimmer und kroch unter sein Bett, um seinen Teddy hervorzuholen - den er eigentlich gar nicht mehr haben sollte. Die Leute würden ihn einen Angsthasen nennen und noch was Schlimmeres, wenn sie wüssten, dass er immer noch mit seinem Teddy schlief. Aber heute Nacht war ihm das egal.
    Heute Nacht, während seine Eltern unten im Wohnzimmer miteinander stritten und er das Bild der toten Frau in seinem Kopf nicht loswerden konnte, fühlte er sich sehr einsam und sehr ängstlich.
    Heute war eine Nacht für einen Teddy.
     
    Wendy kuschelte sich an ihre Mutter und ließ sich ein Lied vorsingen.
    »Schlaf, Kindchen, schlaf, dein Vater hüt’ die Schaf’ …«
    Es war ein total kindisches Lied, aber Wendy sagte nichts. Ihre Mutter hatte ihr schon immer Lieder vorgesungen, wenn es ihr nicht gut ging oder sie sich im Dunkeln fürchtete. Und auch wenn Wendy das blöde Lied nicht mochte, so mochte sie doch den Klang der Stimme ihrer Mutter. Er bewirkte, dass sie sich sicher und geborgen fühlte.
    Sie lagen aneinandergeschmiegt in ihrem Bett, in ihrem hübschen in Gelb und Weiß gehaltenen Zimmer, umgeben von all ihren Stofftieren und Puppen. Die Nachttischlampe verbreitete weiches, warmes Licht. Es kam ihr vor, als wäre das, was heute im Park passiert war, lange her und weit weg
wie eine Gruselgeschichte, die sie vielleicht einmal gelesen und inzwischen schon wieder halb vergessen hatte.
    Aber natürlich hatte sie nichts vergessen.

Weitere Kostenlose Bücher