Schwaerzer als der Tod Thriller
alten blauen Bademantel am Ausschnitt zusammen. »Es ist mitten in der Nacht. Hätte ich vielleicht ein Kleid anziehen und mich schminken sollen?«
»Ich hab die halbe Nacht am Fundort einer Leiche zugebracht. Meinst du, ich habe Lust, so was zu sehen, wenn ich nach Hause komme?«
Dennis’ Mutter strich sich eine zerzauste Haarsträhne aus dem Gesicht und schob sie hinters Ohr. »Tut mir furchtbar leid, dass ich deinen hohen Ansprüchen nicht genüge!«
Sein Vater fluchte leise vor sich hin. »Hast du getrunken?«
»Nein!«, rief sie mit empörter Miene. »Keinen Tropfen!«
Sie zerrte die Pfanne vom Herd, ließ das Schweinekotelett auf einen Teller plumpsen und knallte ihn auf den Tisch. »Bitte sehr. Da hast du dein Scheißabendessen!«
Das Gesicht seines Vaters wurde dunkelrot.
Das Gesicht seiner Mutter wurde aschfahl.
Dennis drehte sich um und rannte zur Treppe. Auf halbem Weg nach oben blieb er stehen und setzte sich, umklammerte das Geländer und sah durch die Stäbe, als säße er hinter Gittern. Er konnte nicht viel von der Küche sehen, aber das war auch gar nicht nötig. Ein Stuhl schrammte über den Boden und fiel mit einem Knall um. Auf dem Herd schepperte eine Pfanne. Ein Glas zerbrach.
»Da hab ich mein Scheißabendessen?«
»Tut mir leid, Frank. Es ist schon spät. Ich bin müde.«
» Du bist müde? Ich bin derjenige, der die halbe Nacht gearbeitet hat. Und dann komme ich endlich nach Hause und will nichts weiter als ein bisschen was essen, und du bringst nicht mal das zustande?«
Seine Mutter begann zu weinen. »Es tut mir leid!«
Die Stille, die darauf folgte, machte Dennis noch mehr Angst als das Geschrei. Er fuhr zusammen, als sein Vater aus der Küche auftauchte, mit finsterem Gesicht, die Hände in die Hüften gestemmt. Er drehte sich um und sah zu Dennis hoch.
»Was glotzt du?«
Dennis sprang auf und rannte die Treppe hinauf, zweimal stolperte er, weil er schneller zu laufen versuchte, als es seine Beine vermochten. Er rannte in sein Zimmer, kletterte in den
Schrank, zog die Tür hinter sich zu und versteckte sich unter einem Haufen Schmutzwäsche.
Lange kauerte er so da und versuchte, nicht zu laut zu atmen, versuchte, über das Pochen in seinen Ohren hinweg etwas zu hören, wartete darauf, dass die Tür aufgerissen wurde. Aber eine Minute verging, und nichts geschah. Dann noch eine Minute … und noch eine, bis er schließlich einschlief.
8
Mittwoch, 9. Oktober 1985
»Ich fass es einfach nicht, da wird jemand ermordet, und du rufst mich nicht an!«
»Ich hatte andere Dinge im Kopf«, erwiderte Anne.
Sie standen vor der Tür zum Kindergarten, neben dem Sandkasten, wo sich ein halbes Dutzend von Frannys Schützlingen mit Spielzeugmüllautos und Schaufeln und Eimern zu schaffen machte.
Fran Goodsell, ihr bester Freund. Neununddreißig Jahre alt, unglaublich süß und ein respektloses Lästermaul. Sie hätte ihn wirklich anrufen sollen, dachte sie.
Franny hatte so eine bestimmte Art, Dinge in ein anderes Licht zu rücken. Er hätte sich etwas einfallen lassen, um sie nach dem entsetzlichen Erlebnis im Park auf andere Gedanken zu bringen. Er hätte irgendetwas Ungeheuerliches gesagt, irgendeine völlig unpassende Bemerkung gemacht und dafür gesorgt, dass die Anspannung wenigstens für eine Weile von ihr abfiel.
Dann hätte sie sich nicht damit herumquälen müssen, die ganze Nacht wach zu liegen und die Szene jedes Mal wieder in allen Einzelheiten vor sich zu sehen, sobald sie die Augen
schloss: die zerfleischte Hand, die mit der stummen Bitte aus der Erde ragte, ihr aus dem flachen Grab herauszuhelfen.
»Hast du denn keine Nachrichten gesehen?«, fragte sie.
»Natürlich nicht«, erwiderte er in einem Ton, als wäre allein die Vorstellung schon eine Beleidigung. »In den Nachrichten kommt doch nie was Gutes.« Seine Augen weiteten sich, als ihm plötzlich ein Gedanke durch den Kopf schoss. »Haben sie dich interviewt? Du lieber Himmel. Ich hoffe, du hattest nicht das Gleiche an wie gestern in der Schule. In den Klamotten hast du ausgesehen wie eine Novizin.«
So war er.
Anne sah ihn streng an. »Nein, ich war nicht in den Nachrichten, und danke für die Modetipps, Mr Blackwell.«
»Also, mal ehrlich, wie willst du dir denn auf diese Weise einen Mann angeln, Schwester Anne Marie? Das Image ist alles.« Frans Image: Popper mit einem Hauch Extravaganz. Heute trug er Khakihosen, Bootsschuhe und ein blaues Baumwollhemd mit geknöpftem Kragen, zu dem er sich ein
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