Schwätzen und Schlachten
einen Mord hin und der war nicht sanft. Ganz im Gegenteil, erschossen werden ist eine knallharte Angelegenheit, hinterrücks macht es nicht besser und, als wäre des Unbills nicht genug, war es auch noch ernster Winter und bitterkalt. Aber das war dann andererseits auch egal.
Vermutlich, sagte Sydow also, vermutlich entscheidet sich dort mein Schicksal.
So viel Schicksal, wie du immer meinst, sagte Stanjic, hat kein Mensch.
Ich schon. Frauen sind mein Schicksal und Gott sei Dank gibt es der Frauen viele.
Das Café füllte sich ruckzuck. Frau von Sydow und Anna Snozzi trugen die Terrinen zu den Tischen und Stanjic begann die Suppe auszuschöpfen.
Das Telefon klingelte, seine Oma war gerade wieder auf dem Weg in die Küche.
Ich geh schon, Omi, sagte Frederik, er ging hinter die Theke, nahm den Hörer ab, ja bitte?, sagte er, Visite-ma-tante ?, er lauschte.
Essen ist fertig, sagte er. Er lauschte, drehte sich zu Stanjic und wachelte in Richtung Suppe, führte einen Löffel zum Mund, David begann zu essen. Frederik schaute ihm zu, lauschte in den Hörer. Soljanka, sagte er. Wo bist du denn? –
Natürlich mit Kraut und Gurken, wie sonst. Und was machst du da? –
Klar gibts frisches Brot, heute ist Freitag. Und warum nicht? –
Und mit wem? –
Und warum nicht? –
Aber –
Er lauschte, hängte den Hörer wieder ein und ging zurück zum Tisch. Er nahm sich eine weitere Scheibe Brot, brockte sie in die Suppe und begann zu essen.
Das war Simon, sagte er.
David reichte ihm seine Serviette, Obacht, deine Oma kömmt. Kommt er nicht zum Essen? Wo ist er denn?
Frederik faltete die Serviette auseinander und legte sie sich auf den Schoß. Nein, kommt nicht, keine Zeit. Er ist im Grunewald.
Was? Und was macht er da?
Das heißt wie bitte, sagte Frau Sydow, sie kam zu ihnen herüber, begrüßte die anderen Gäste, die dicht gedrängt mit um den Tisch saßen.
Tut mir leid, Frau von Sydow, wird nicht mehr vorkommen.
Das will ich hoffen. Und sonst, Jungs, schmeckts?
Großartig, Omi.
Das Brot ist umwerfend gut, Frau von Sydow. Wie selbst gebacken.
Werden Sie nicht frech, David, auf mein Selbstgebackenes kommt mir nichts. Wo ist Simon?
Stanjic hob den Deckel von der Suppenterrine, Sie auch noch? Die Dame neben ihm nickte und schob ihm den Teller hin, im Grunewald, sagte er.
Im Grunewald? Und was macht er da?
Stanjic zuckte die Achseln, er verteilte die restliche Suppe und rührte in seinem Teller herum, sie wandte sich an Frederik.
Kann er mir nicht sagen, sagte er.
Und warum nicht?
Ist irgendwas Wichtiges. Frederik hob den Deckel der Schüssel, schaute hinein, geh du noch welche holen, sagte er zu Stanjic.
Es wäre aber schöner, du würdest welche holen.
Ja, Konjunktiv.
Konjunktiv ist die schönere Welt.
Woher weißt du das.
Das weiß in Österreich jeder.
Ist es das Einzige, was ihr wisst.
Ja.
Okay. Sydow nahm die Suppenschüssel und stand auf, ging in die Küche, um sie auffüllen zu lassen.
Was Wichtiges, Frau Sydow schüttelte den Kopf und sah David streng an, im Grunewald!
Schauen Sie nicht so streng, sagte Stanjic, ich war noch nie im Grunewald, ich schwörs.
Das sollten Sie aber schleunigst ändern.
Ja, Frau von Sydow.
Der Grunewald ist schön.
Verstehe, Frau von Sydow.
Nur nicht, wenns Essen gibt!
Alles klar, Frau von Sydow.
Und brav bleiben.
Mach ich immer, Frau von Sydow.
Sie tätschelte ihm die Schulter und ging zum nächsten Tisch, Frederik kam zurück und stellte die volle Suppenschüssel auf den Tisch, schöpfte sich nach.
Im schönen Grunewald also, sagte David. Und mit wem ist er da?
Kann er mir nicht sagen.
Und warum nicht?
Was weiß denn ich? Sydow haute dem kleinen Jungen neben sich auf die Finger und nahm sich schnell die letzte Scheibe Brot, du hattest schon zwei, sagte er. Leute unter acht dürfen nicht mehr als zwei Scheiben Brot pro Nase und Abend.
Ich bin aber schon zehn, sagte der Junge, er griff nach dem Brot.
Nein.
Doch.
Sydow beugte sich zu ihm hinunter und sagte leise, wenn du frech wirst, sag ichs meiner Oma.
Der Junge zog seine Hand zurück.
Und, sagte Sydow aufgeräumt, wie alt sind wir denn.
Acht, flüsterte der Junge.
Acht, wiederholte Sydow, er zerteilte seine Brotscheibe und reichte ihm die Hälfte hinüber, in dem Alter muss man tüchtig essen, dann kannst du die neun überspringen.
Okay.
Sydow hielt ihm die Hand hin, komm Kumpel, schlag ein, ich hol uns noch ein Brot. Der Junge klatschte dagegen, lächelte, Frederik zauste ihm im
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