Schwätzen und Schlachten
Katharina holte ihn schwatzend und küssend zurück, wer war hier eigentlich der Mann, sie oder ich? War Genosse Juri etwa kein Mann? Meine Oma, meine Oma hatte immer gesagt, seither stimme etwas mit dem Wetter nicht mehr. Ich war’s nicht, Omi, das war Neill! Ich bin dein Juri, irgendwo im Orbit, Tausende von Lichtjahren entfernt vom Unruheherd. Seit die Amis auf dem Mond waren, sagte meine Oma gern, stimmt etwas mit dem Wetter nicht mehr . Der Adler, weißt du, was ein Adler ist? Holt sich, was er will, das ist der Adler. Holt sich den Mond im Fall von Neill, in diesem Fall holt er sich mich. Er kreist hoch oben in den Lüften, der Adler, der Bussard, ist total egal, keinen Heller für ihre Gedanken, späht adlerscharf, zieht die Spiralen enger und enger, sichtet die Beute, checkt die Lage, taucht ab, Tiefflug, der Adler, ein gefährlicher Hallodri, ich hörte den Atem, er wird schneller, ich sehe den gewetzten Schnabel eilig auf mich zurasen, er weiß, wohin, kein Kompromiss, meine Chancen gleich null, schon meine ich, das Gefieder zu riechen, dieser scharfe Geruch nach gierigem Tier und Himmel, hier, jetzt, sie öffnete den Mund, Staub glimmt, fallender Stern, stürzendes Licht, der Adler schlug zu, Vogelgezwitscher, das Bimmeln der Tramway, so einsame Autos, Houston calling , yes , sagte ich, the eagle has landed , sagte ich, finally , dies war eine Supernova, yes , tosender Applaus bei der NASA , finally yes , dann wusste ich nichts mehr.
Wo dieses Haus stand, wessen Wohnung es war, weiß ich nicht. Ich weiß nur: Die Sonne geht im Osten auf. Sie tut das überall auf der Welt, sie tut das in Zürich und sie biss mir räudig ins Gesicht, nur wenige Zeit, nachdem ich in einen totenähnlichen Schlaf gestürzt war. Es ist eine Wohnung und die Fenster weisen nach China. Mehr weiß ich nicht.
Wer in dieser Wohnung wohnt, wieso Katharina einen Schlüssel dazu besitzt und wo der eigentliche Bewohner sich in dieser Nacht aufhielt, ist mir schleierhaft. Ich habe Katharina nicht danach gefragt, wie ich überhaupt zu ihr nicht von dieser Nacht gesprochen habe, ich war viel zu verdattert und Katharina war am nächsten Tag einfach wieder nur eine Freundin, ach was, die Freundin einer Freundin. Ich wohnte nur in ihrer Wohnung.
Also bitte, sagte mein Lektor, das ist doch nicht glaubwürdig, dass er nichts weiß und nichts fragt!
David ist so, sagte ich, glaub mir.
Ja, weil er ein Trottel ist, aber unser lieber Leser gibt sich mit so was nicht zufrieden, er blätterte in seinem Notizbüchlein, Straße, Hausnummer?
Ich starrte ihn böse an, Josefstraße, sagte ich dann unwillig, 174.
Das wird unsere Leser interessieren, sagte er zufrieden.
Mit Sicherheit, sagte ich indigniert, brennend.
Ich fiel aus dem Schlaf wie ein Betrunkener aus dem Fenster, man kippte mich aus gleich einem Batzen Unrat, ein taumelnder Kosmonaut in voller Montur. Katharina hingegen sah fabelhaft erholt aus, kam aus dem Bad, frisch gepflückt, roch unfassbar gut. Ich schaute ratlos in den Spiegel, sah mein ratloses Gesicht. Ich betrachtete die Dinge auf der Konsole, eine Rasierseife, die nicht mir gehörte, ein Tigel mit Hautcreme, ein fetter Buddha, ein Flakon mit Parfum, ich nahm es in die Hand, roch daran und: tiefere Schichten der Luft. Es war der Geruch der Nacht und der an Katharinas Hals, Birnen und ein Bukett von Jasmin, der Duft von seidigen Teppichen und Lederzeug und ich fiel in die Bilder, aus dem Bad, aus der Nacht, war es einfach nur das Parfum gewesen? Hatte ich etwa geträumt, verführt von einem aphrodisierenden Duft? Anschließend gingen wir hinaus und frühstückten in einer Bar, die Casablanca Bar am Limmatplatz, Frühstück bis 16 Uhr. Hier in Berlin ist das völlig normal, hier sagen die Leute, was? Ab vier gibts schon kein Frühstück mehr? Das schaff ich doch nie!
In der Schweiz frühstückt man morgens und damit hat sich die Sache, die Casablanca Bar fällt da völlig aus der Rolle. Wir aßen Croissants und tranken heißen Milchkaffee.
Ich hob müde die Hand Richtung Theke, Kellner, Nachschub. Kaffee. Noch mehr Kaffee. Ich lag, hingeworfen in einen Stuhl von der Form einer Salatschüssel, betrachtete die vorbeistromernden Passanten mit erschreckendem Gleichmut. Das war mankind . Das also, finally, war mankind . Ich aber war ein Kosmonaut in voller Montur, landed on the wrong planet. Ich war matter Salat, die Herzen im Dressing ertränkt, hilflos in meiner Schüssel. Ich war die Adlerbeute, der Bussardimbiss,
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