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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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lerne ich im Seminar Alpenprosa. Dieses Cello ist womöglich eine der raren Nachbauten, Exemplar einer österreichischen Studie zur Entwicklung volkstümlicher Musikgeräte. Jiddisches Liedgut im Wandel der Zeit, Stichwort: alte Instrumente , jiddische Volksmusik auf alten Instrumenten. Vielleicht ist die Forschung nach den verlorenen Klängen des Schtetls eine Art Wiedergutmachung. Die Österreicher haben in Sachen Wiedergutmachung ein bisschen was aufzuholen.
    Weißt du, fuhr er fort, die Österreicher sehen bis heute eigentlich nicht recht ein, was es da für sie wiedergutzumachen gilt.
    Erstens, weil sie sowieso die ersten Opfer waren und wer macht bitte bei ihnen was wieder gut?
    Und dann: Restitution, Entschädigung? Ob Fremdwort oder nicht, beides sind für die Österreicher Fremdwörter. Da kommen die Ausgewanderten aus Chicago und New York und fragen nach ihren Bildern in den Museen.
    Die Bilder in den Museen?, sagen die Österreicher entrüstet, zurückgeben? Das ist doch schon so lange her! Dafür bezahlen? Was wollen Sie denn mit dem vielen Geld!
    Zum Beispiel das Bild mit den Bergmähern – Kunstgeschichte, Seminar Alpenmalerei, egal, was ich studiere, ich lande immer in den Alpen, komisch, oder? – Die Bergmäher , sagen die Österreicher. Sydow deutete auf das Cello, von wegen Heuernte. Von wegen Heuernte, sagen die Österreicher, Die Bergmäher , ein typisch österreichisches Bild. Mähen, heuen, die Berge, die Heumanderln, was wollen Sie denn mit so einem Bild in Amerika, sagen sie zu den Exiljuden, die aus Chicago angeflogen kommen, um sich ihre Bilder zurückzuholen. Die Amerikaner dort, wenn sie dieses Bild sehen, sie werden sagen:
    Was for heaven’s sake machen die da? Eine Art Ertüchtigung? Die sehen nicht gerade gesund aus auf dem Bild, die sehen nicht aus, wie wir hier in Amerika aussehen. Diese hageren Gesichter, die formlosen Hüte, das sieht uns ganz schön entartet aus auf dem Bild, kann sein, dass es am Balkan, wo das spielt, so aussieht. Hier bei uns in Chicago nicht, hier können wir mit so was nichts anfangen.
    Verstehen Sie?, sagen die Österreicher leutselig zu denen, die ihnen die Bilder aus den Museen wegnehmen wollen, lassen Sie die Bilder hier bei uns. In Chicago denken sie, wenn sie ein Heumanderl sehen auf einem alpenländischen Genrebild, es handele sich dabei um eine balkanesische Frühform des Cellos, alte Instrumente aus der alten Welt. Für die Amerikaner ist das alles alt und die Amerikaner, sie mögen das Neue.
    Schauen Sie, sagen die Österreicher zu den raffgierigen Auswanderern, die sich einbilden, sie könnten jetzt einfach so wieder kurz zurückwandern, hier durch die Museen wandern und behaupten, dass ihnen gehört, was so lange schon so schön da hängt, die denken, sie hätten einen Anspruch, und dabei haben sie nicht einmal rechte Unterlagen, die das belegen. Das finden die Österreicher merkwürdig und auch auffällig, und auch, dass die Auswanderer, wenn ihnen das Bild so wichtig ist, es nicht schon damals mitgenommen haben beim Auswandern, das wundert die Österreicher schon auch. Schauen Sie, sagen die Österreicher, und reichen großmütig die Hand, schließen wir ab mit den alten Geschichten. Wir laden Sie ein auf einen Kaffee, wir gehen hier in Österreich in solchen Situationen gerne auf einen Kaffee, man muss auch einmal einen Schlussstrich ziehen, man muss auch einmal fünfe gerade sein lassen, kommen Sie, unser Kaffee, er ist der beste der Welt –
    Sie kennen den Kaffee? Noch von früher? Sie kommen von hier? Aber das ist ja schon so lange her! Und richtiger Österreicher waren Sie aber nicht, oder? Sie sehen irgendwie gar nicht so – Und zurückkommen wollten Sie nicht? Gefällt es Ihnen nicht bei uns. Und wie gehts den Kindern, den Enkeln? Keine Nachkommen, wie schad! Hier in Österreich gilt uns die Familie alles, müssen Sie wissen, wir in Österreich sind eigentlich eine einzige, große Familie, wenn man so ein kleines Land ist, muss man fest zusammenhalten. Darum liegt uns auch so sehr an den Bergmähern, es sind ja eigentlich Familienporträts, für Fremde wie Sie total uninteressant, hat quasi nur privaten Wert – und so weiter und so weiter.
    Dann gehen sie Kaffee trinken, deuten mit großartigen Gesten auf Prunk und alten Glanz, das alte Europa, und, fragen die Österreicher liebenswürdig, fanden Sie es in Chicago schöner als bei uns oder was. Und der lästige Mensch wird zurück ins Flugzeug verfrachtet, kriegt eine Sachertorte in

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