Schwarzbuch Scientology
verfügte noch über keine nennenswerten Erkenntnisse, und so stützte sich der Bericht an den obersten
Dienstherrn auf Erkenntnisse, die man über Interpol erhalten hatte. Diese wiederum waren einem Bericht aus 1969 von New Scotland Yard entnommen. Was das Bundeskriminalamt zu berichten hatte, ist das, was auch heute immer noch zu einem wesentlichen Teil die Vorwürfe an die Organisation ausmacht:
Die Tätigkeit der Organisation besteht in einer psychologischen Amateur-Analyse des Menschen, was als eine Art Gehirnwäsche bezeichnet werden kann … Für gewöhnlich stellt der Auditor stehend an den Lernenden stundenlang immer wieder ein bis drei Fragen. Der Geist des Lernenden wird dadurch schließlich verwirrt … Dagegen ist bekannt, dass es keinem »scientologist« … gestattet ist, einen Arzt aufzusuchen, es sei denn, dass eine chirurgische Behandlung dringend erforderlich ist. Aber auch dann muss die Genehmigung eines Ethikers eingeholt werden, der nichts anderes als ein Sicherheitsbeauftragter der Organisation ist.
(Oberlandesgericht München 1 U 1273/81, Urteil vom 28.1.1982, S. 5)
Damit aber nicht genug, der Bericht aus Großbritannien geht noch weiter, so dass man sich wohl berechtigt die Frage stellen kann, wieso heute eines der Europazentren in der Nähe von London liegt. In dem den deutschen Behörden übermittelten Bericht ist nämlich weiter zu lesen:
Die Regierung (d. britische, d.Verf.) ist jedoch zu dem Schluss gekommen, dass diese Bewegung so anstößig ist, dass alles, was in ihrer Macht steht, getan werden muss, um ein weiteres Anwachsen der Bewegung einzudämmen. Es wird vermutet,
dass Angehörige der Bewegung Straftaten (Betrug, schwere Körperverletzung und Erpressung) begangen haben. Es ist bekannt, dass sich einige Mitglieder der Organisation mit anderen zusammengetan haben, um unschuldige Leute in kriminelle Angelegenheiten zu verwickeln und um sie fälschlicherweise eines Verbrechen zu bezichtigen.
(Oberlandesgericht München 1 U 1273/81, Urteil vom 28.1.1982, S 8)
Klar, dass die Weitergabe dieses Berichtes an andere Stellen in der Bundesrepublik Deutschland verhindert werden sollte. Die Verfahren dazu dauerten und beschäftigten die oberen Gerichte in Deutschland. 1982 verlor die Organisation das Verfahren, aber ein Ziel war erreicht: Zu diesem Zeitpunkt interessierte sich nur noch eine Minderheit für dieses langwierige Verfahren, und die Organisation war inzwischen in der Bundesrepublik angekommen und hatte deutsche Anhänger gewonnen, die natürlich nichts über die Vorwürfe von Interpol und dem Bericht an den Innenminister wussten.
Die weiteren Auseinandersetzungen lassen allerdings nicht lange auf sich warten, in München wird die nächste Schlacht geschlagen. Hier wiederholt sich, was bereits im Bericht an den Bundesinnenminister steht, die Kritiker der Organisation werden diffamiert, angezeigt, sie sollen zum Schweigen gebracht werden. Das Ergebnis endet für die Organisation in einem Fiasko, da die Staatsanwaltschaft in München den Spieß umdreht. Die Einstellungsverfügung der Strafanzeige liest sich wie eine Anklageschrift an die Organisation. Auch hier wird belegt, wie Menschen ausgespitzelt wurden und wie skrupellos die Verantwortlichen
der Organisation vorgingen. Die aus den beschlagnahmten Unterlagen von Scientology möglichen abgeleiteten Vorwürfe ähneln dann auch wieder sehr den bereits von Interpol genannten: Verdacht des Betruges, der Nötigung und des Wuchers, des Verstoßes gegen das Heilmittel- und Heilpraktikergesetz. Auch die Finanzen haben anscheinend die Münchner Behörden beschäftigt, es gab einen Haftbefehl gegen einen der führenden Personen, der allerdings entzog sich dem und entschwand in die Schweiz. In beiden Fällen wurden die Ermittlungsverfahren gegen die Scientologen letztlich eingestellt.
Juristische Niederlagen der Organisation, verbunden mit Einschätzungen über die Vorgehensweise finden in der Außendarstellung natürlich nicht statt. Dabei sind diese häufiger, als es den Bossen in den USA lieb sein kann. Aber Scientology profitiert wohl auch vom »kurzen Gedächtnis« der Öffentlichkeit und der öffentlichen Auseinandersetzung. Auch auf der anderen Seite des großen Teiches, dieses Mal in Kanada, kam es Ende der 90er Jahre zu einem Urteil gegen die Gesamtorganisation. Sie wurde zu einer Geldstrafe von 250.000 Dollar verurteilt und eines der Scientology-Mitglieder zu einer Geldstrafe von 5.000 Dollar. Die Grundlage der Verurteilung,
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