Schwarze Blumen auf Barnard Drei
zu suchen, blieben auf halbem Wege stecken, in der Antennenanlage, hoch oben nach blinder Turnerei. Aus der schwarzen Watte der Nacht hatte irgend etwas nach ihnen gelangt. Sie wehrten sich, als das ihrer beider Finger ineinanderflocht, denn sie brauchten die Hände, um sich an den Sprossen festzuhalten. Als ihr Widerstand aber in seltsamer Schwäche ertrank, in Wärme, Wonne und Rausch, und noch ehe Anas Stimme in die Membranen ihrer Helme drang, wußten sie, was da umging mit ihnen: Booliefinger. Sie wußten auch, daß ihnen nichts blieb, als sich zu ergeben, und richteten sich ein. Eine kleine, kalte Ewigkeit ging über sie hinweg, und sie hielten die Hände verflochten. Rundum, glaubten sie, wallte schwarzes Frohlocken.
Später war vom Rapport des Leutnants die Rede, von Orlows Fünfzehnmikrosekundentrick. Von exakt tausend Wiederholungen eines elektromagnetischen Dreißigzeichenblitzes, Zufallsintervallen zwischen Zehnerbündeln, Textvarianten. Boris und Andrej hatten sich etwas einfallen lassen. Von Hattauer wurde gesprochen und von der Bilowa, die Nachricht war sehr genau. Aber das Wesentliche bewirkte erst eine weitere Information: die erwiesene Lesbarkeit der von der BEAGLE zurückgeworfenen Quittung des Rapportblitzes.
Die Leute verließen ihre Arbeitsplätze und bewegten sich von der Peripherie auf das Zentrum des Hauses, auf die Messe, zu, als hätte man sie gerufen. Das Bedürfnis nach Nähe hatte seinen Anlaß gefunden.
33.
Giron war in die Pflicht seines Berufs geflohen und dachte nach. Da waren diese Gefälle meteorologischer Werte. Welcher Größen? Die Liste auf dem Display gab sich lang und vieldeutig. Die Beeinflußbarkeit? Mit welchen Mitteln? Die Buchstaben schrumpften, der Text uferte aus und sprengte das Schirmformat, ein Wirrwarr einander ausschließender Konditionen. Er prüfte jede einzelne und haßte diese Pedanterie. Er war zufrieden mit seinem Haß, der ihn trieb, etwas zu tun, etwas gegen die unausgesprochenen Fragen. Gegen die stummen und vorwurfsvollen Gesichter. Gegen den Nebel, der ihn anging.
Vom Ende des Korridors hörte er Schritte herantappen. Schritte von Frauen. Ana? Lief, was er hier tat, auf etwas Erhebliches hinaus? Spiel mit Symptomen, war das erheblich? Boris Orlow. Als ob dies alles an Mikrosekunden hinge, an irgendwelchen Modulationen. Gedanken wie Fliegen. Die Schritte störten ihn und die Stimmen, die sich mit ihnen näherten. War er es selbst, der am Zentrum vorbeitraf? Möglich. Wahrscheinlich. Nein, fast sicher. Zielten sie alle in eine belanglose Richtung? Worauf überhaupt zielten sie denn? Ja doch, einer wußte, wohin er wollte. Jermakow. Über die Wand fielen Sätze auf ihn herab. Judys und Rahels Stimmen.
»Die wären boshaft? Wieso denn die? Das schlimmste sind immer die anderen«, sagte Judy mit knappem Atem, ein wenig belehrend.
»Ich denke«, lautete die Antwort, »du bist hauptsächlich aus Manilahanf gemacht.«
»Zu Bosheit sind die gar nicht imstande.«
»Mon Dieu! Du bist zäh und so deprimierend rechtschaffen. Kriegt dich denn nichts mal unter? Wäre das eine Ermutigung.« Die Frauen waren genau vor seinem Rollo.
»Sie können niemanden angreifen. Niemanden. Auch nicht uns. Sie können es nicht einmal wollen«, hörte er Judys eifernde Stimme. »Fortwährend hängen sie aneinander. Jeder mit jedem. Sich zu berühren weckt Freundlichkeit in ihnen. Und sie berühren sich immer. Irgendein Zwang. Sie können nicht anders. Sie hängen zusammen, bis sie ganz voll sind von ihren Gefühlen füreinander. Trunken, wenn du willst.«
Schritte und Rede verstummten. Giron vermeinte leibhaftig zu sehen, was draußen vor sich ging: Rahels Griff nach Judys Arm, ärztliche Entschiedenheit. Plötzlicher Ernst. Rahels schönes Gesicht, die Verwandlung in Liebreiz dann und diesen desperaten Spott. Er glaubte zu wissen, wie die Rede weiterging.
»Wie gut du bist. Es ist wahr«, sagte Rahel. Giron hörte Betroffenheit in der Stimme der Frau. Und nach einem Moment der Stille: »Freundlichkeit, wenn sie sich anfassen, Gefühle! Was für treuherzige Wörter, man sieht die Karos durch. Ich sage dir, was sie treiben: Sex. Scharfen Sex! Hast du vergessen, wie’s war, wenn sie uns anfaßten, he?«
»Wenn du so willst«, antwortete Judy schwach.
»Die wollen. Immer. Sie trieben’s auch mit uns, wenn sie könnten. Wie gut du bist. Judy. Da ist wirklich was Wahres dran, und es hätte meine Idee sein müssen.
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