Dragon Fire
Prolog
»Weiß die Königin, dass wir ihre Tochter haben?«
Ragnar der Listige von
der Olgeirsson-Horde nickte auf die Frage seines Bruders Vigholf hin.
»Und sie hat dir
gesagt, dass du mit ihr machen sollst, was du willst?«
Wieder nickte er.
Vigholf schüttelte den
Kopf. »Ich verstehe das nicht.«
Und Ragnar ging es
ebenso. Er verstand nicht, wie eine Mutter – ob sie nun eine Königin war oder
von niederer Geburt – sich anscheinend so wenig Sorgen um ihren Nachwuchs
machen konnte. Selbst wenn der Nachwuchs so lästig und hinterhältig war wie
diese königliche Nervensäge, die im Moment in der Höhle hinter ihm Ränke spann.
Sie trug nichts als
ein Kleid, das zwei Nummern zu groß für ihre menschliche Gestalt war,
Fußfesseln und ein magisches Halsband, das sie davon abhielt, sich in ihre
natürliche Drachinnengestalt zu verwandeln. Ihr Name war Prinzessin Keita aus
dem Hause Gwalchmai fab Gwyar, und sie hatte es während dieser ganzen Unternehmung
geschafft, beinahe jedes männliche Wesen in Entzücken zu versetzen, ohne viel
mehr zu tun, als eine eher geistlose Schönheit zu sein. Sie kicherte, sie neckte,
sie triezte. Um ganz ehrlich zu sein, hatte Ragnar gehofft, ihre Mutter würde
ihre Herausgabe noch am selben Abend fordern, damit er das verzogene Gör endlich
loswurde, bevor sie hier noch Blutsverwandte gegeneinander aufhetzte. Doch das,
was Königin Rhiannon abschließend über ihre Tochter gesagt hatte, würde ihm
noch lange im Gedächtnis bleiben: »Behalt sie. Lass sie gehen. Ist mir völlig
egal.«
Ragnar konnte sich
nicht vorstellen, dass seine eigene Mutter so etwas je über ihn oder einen
seiner Brüder und seine Schwester sagen würde. Sein Vater Olgeir, Drachenlord
der Olgeirsson-Horde, schon eher.
»Na gut«, sagte einer
seiner Vettern und stand auf. Sie waren alle in ihrer menschlichen Gestalt
geblieben, denn so war es leichter, sich vor den Feuerspuckern zu verstecken,
während sie sich auf Südland-Territorium befanden. »Wenn sie sie nicht wollen,
dann behalten wir sie eben.«
Ragnar sah seinen
Bruder an, und Vigholf senkte rasch den Kopf, um sein Lachen zu verbergen. Er
hatte Vigholf gesagt, dass das passieren würde, wenn sie noch mehr Zeit mit
diesem giftigen Weib verbrachten. »Wir behalten sie nicht .«
»Warum zur Hölle
nicht?«
Ragnar dachte darüber
nach, den Halbwüchsigen zu erwürgen, entschied sich aber dagegen. »Weil wir das
nicht mehr machen.«
»Aber wenn ihre eigene
Mutter sagt …«
»Wenn du eine Frau
willst, Junge, wirst du das so anstellen müssen wie alle anderen auch –
charmant sein, sie verführen, sie dazu bringen, dass sie sich in dich
verliebt.«
Ragnars Vettern warfen
sich gegenseitig Blicke zu, bevor einer von ihnen fragte: »Und wie macht man
das?«
Vigholf konnte sich
nicht länger beherrschen und prustete los, und Ragnar machte sich grummelnd auf
den Rückweg in die Höhle.
Er war müde, erschöpft
und hatte noch viel zu tun, bevor er dieses überheizte Land verließ, und das
Letzte, womit er sich herumschlagen würde, waren die idiotischen Fragen seiner
idiotischen Verwandtschaft.
Es hatte vor ein paar
Tagen alles so einfach angefangen. Ihn hatte die Nachricht erreicht, dass sein
Vater die törichte Südland-Prinzessin auf Nordland-Gebiet erwischt hatte, und
zusammen mit seinem Bruder hatte er rasch gehandelt. Er hatte geplant, sich mit
der Hilfe seiner Mutter wieder in seine ehemalige Heimat einzuschleichen, doch
unterwegs hatte sie ihn über die Wege der Magie kontaktiert und ihm gesagt,
dass die Prinzessin es geschafft hatte zu fliehen. Er hatte sie nicht weit vom
Fuß des Berges seines Vaters erwischt und die unterirdischen Tunnels genutzt,
um sie zurück in ihr Heimatland zu bringen. Dann hatte er geplant, mit der
Drachenkönigin der Südländer über ein Bündnis zu verhandeln, mit dessen Hilfe
er die Olgeirsson-Horde übernehmen konnte und, wenn alles gut ging, die
Nordland-Territorien. Die Horden zu vereinen würde sein erster Schritt sein –
sie geeint zu halten der nächste.
Doch die Königin hatte
ihn überrascht. Sie hatte nicht nur von Anfang an gewusst, dass Ragnar ihre Tochter
hatte, sie hatte auch gewusst, dass Olgeir sie davor gehabt hatte – und sie
hatte absolut nichts dagegen unternommen.
In Zeiten wie diesen
war er dankbar, dass die Götter ihn mit seiner Mutter gesegnet hatten, auch
wenn er sich gewünscht hätte, dass die Götter ihr einen Gefährten geschenkt
hätten, der ihre Schönheit und Weisheit mehr
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