Schwarze Herzen
Bianka ihren Schwestern und Freundinnen half, den Raum für die Hochzeit zu schmücken. Im Augenblick war sie dabei, eine Blumengirlande ins Deckengewölbe zu hängen. Ohne Leiter.
Schon tagelang folgte er ihr, konnte ihr einfach nicht fernbleiben. Und eines fiel ihm immer wieder auf: Sie redete und lachte, als ginge es ihr gut, aber das Funkeln war aus ihren Augen verschwunden – und der Schimmer von ihrer Haut.
Und das hatte er ihr angetan. Schlimmer noch, kein einziges Mal in dieser Zeit hatte sie geflucht, gelogen oder gestohlen. Auch das war seine Schuld. Er hatte ihr gesagt, sie sei seiner nicht wert. Er hatte sich zu sehr geschämt – tat es immer noch, oder? –, um seinem Volk von ihr zu erzählen.
Jedenfalls konnte er nicht leugnen, dass sie ihm fehlte. Alles an ihr. So viel wusste er. Sie war aufregend, forderte ihn heraus, frustrierte ihn, verzehrte ihn, zog ihn an, ließ ihn empfinden . Ohne sie wollte er nicht sein.
Etwas Weiches streifte seine Schulter. Er konnte kaum den Blick von Bianka lösen, um zur Seite zu sehen und Olivia neben sich zu entdecken.
Was war nur mit ihm los? Er hatte sie nicht kommen hören. Normalerweise waren seine Sinne immer wach, er war immer in Alarmbereitschaft.
„Warum hast du mich hergerufen?“, fragte sie. Nervös blickte sie sich um. Dunkel umrahmten ihre Locken ihr Gesicht, in ein paar Strähnen waren Rosenknospen geflochten.
„Nach Budapest? Weil du sowieso immer hier bist.“
„Genau wie du in letzter Zeit“, entgegnete sie trocken.
Er zuckte mit den Schultern. „Bist du gerade aus Aerons Zimmer hergekommen?“
Zögernd nickte sie.
„Raphael ist zu mir gekommen“, erzählte er ihr. Am Tag, alser Bianka verloren hatte. Am schlimmsten Tag seines langen Daseins.
„Die Blumen da sind nicht mittig, B“, rief die rothaarige Kaia und zog seine Aufmerksamkeit auf sich, sodass er die Predigt an seinen Schützling unterbrach. „Häng sie ein bisschen weiter nach links!“
Bianka stieß ein frustriertes Seufzen aus. „So?“
„Nein. Von mir aus links, du dumme Nuss.“
Grummelnd gehorchte Bianka.
„Perfekt.“ Kaia strahlte zu ihr hinauf.
Darauf zeigte Bianka ihr nur den Mittelfinger. Lysander grinste. Der Einen Wahren Gottheit sei Dank, dass er ihr Temperament nicht vollkommen erstickt hatte.
„Ich finde sie auch perfekt“, schaltete ihre jüngere Schwester Gwendolyn sich ein.
Bianka ließ den Deckenbehang los und fiel zu Boden. Nach der Landung richtete sie sich sofort auf, als hätte der Aufprall ihr nicht das Geringste ausgemacht. „Ein Glück, dass die Prinzessin auf der Erbse endlich mal mit etwas zufrieden ist“, murmelte sie. Lauter fügte sie hinzu: „Ich verstehe nicht, wieso du nicht einfach wie eine zivilisierte Harpyie in einer Baumkrone heiraten kannst.“
Gwen stemmte die Fäuste in die Hüften. „Weil ich immer davon geträumt habe, in einer Kapelle zu heiraten wie jeder normale Mensch. Wäre jetzt irgendwer so nett, die Nacktbilder von Sabin von der Wand zu nehmen? Bitte.“
„Warum willst du die denn abnehmen, wo ich mir doch gerade solche Mühe gegeben hab, sie aufzuhängen?“, fragte Anya, Göttin der Anarchie und Gefährtin von Lucien, dem Hüter des Todes , deutlich beleidigt. „Die bringen genau den richtigen Pfiff in etwas, das ansonsten eine verdammt langweilige Veranstaltung wäre. Auf meiner Hochzeit wird’s in jedem Fall Stripper geben. Echte.“
„Langweilig? Langweilig?!“ Zorn legte sich auf Gwens Züge, ihre Augen wurden tiefschwarz, ihre Zähne scharf.
Diese Verwandlung hatte Lysander bereits mehrfach an ihr gesehen. Allein in der letzten Stunde.
„Es wird überhaupt nicht langweilig sein“, sagte Ashlyn, Gefährtin von Maddox, dem Hüter der Gewalt , beruhigend. „Es wird wunderschön.“
Die Schwangere strich sich über den prallen Bauch. Ihr Bauch war größer, als er in diesem Stadium ihrer Schwangerschaft sein sollte. Doch niemand schien es zu bemerken. Es würde ihnen wohl noch früh genug auffallen. Lysander hoffte nur, sie waren bereit für das, was sie da austrug.
Wie würde Biankas Kind wohl aussehen, fragte er sich plötzlich. Wäre es eine Harpyie wie sie? Oder ein Engel wie er? Oder eine Mischung aus beidem?
Ihm fuhr ein Stich ins Herz und setzte sich in seiner Brust fest.
„Langweilig?“, fauchte Gwen erneut, offensichtlich nicht bereit, die Beleidigung durchgehen zu lassen.
„Toll!“ Bianka warf die Arme in die Luft. „Los, irgendwer soll Sabin herschaffen, bevor
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