Schwarze Herzen
glücklich war. Dass sie wieder so war, wie er sie kennengelernt hatte.
„Du denkst, sie wäre dir peinlich“, fuhr Olivia fort, als er nicht antwortete.
„Woher weißt du das?“ Mühsam zwang er die Worte heraus.
„Ich bin – oder war – eine Glücksbotin, Lysander. Es war meine Aufgabe, zu wissen, was Leute fühlen, und ihnen dann zu helfen, die Wahrheit zu erkennen. Denn wahre Freude findet man nur in der Wahrheit. Du hast dich nie für sie geschämt, Lysander.
Ich kenne dich. Du schämst dich für nichts. Du hattest einfach nur Angst. Angst, dass du nicht das bist, was sie braucht.“
Seine Augen wurden groß. Konnte das stimmen? Er hatte versucht, sie zu ändern. Hatte versucht, sie zu dem zu machen, was er war … sodass ihr gefiel , was er war? Ja. Ja, das ergab einen Sinn, und jetzt verspürte er zum zweiten Mal in seinem Dasein Selbsthass.
Er hatte Bianka gehen lassen. Während er im gesamten Himmelreich Lobgesänge über sie hätte anstimmen sollen, hatte er sie verstoßen. Es gab keinen größeren Narren als ihn. Ob der Schaden nun irreparabel war oder nicht, er musste versuchen, sie zurückzugewinnen.
Er sprang auf. „Ja, das tue ich“, sagte er. „Ich liebe sie.“ Er wollte die Arme um sie werfen. Wollte vor aller Welt hinausposaunen, dass sie zu ihm gehörte. Dass sie ihn als ihren Mann erwählt hatte.
Doch ihm sanken die Schultern hinab. Erwählt. Das war das Schlüsselwort. In der Vergangenheitsform. Noch einmal würde sie ihn nicht erwählen. Zweite Chancen gibt es bei mir nicht, hatte sie gesagt.
Sie lügt oft …
Zum ersten Mal brachte ihn der Gedanke, dass seine Frau gerne log, zum Lächeln. Vielleicht hatte sie auch in dieser Hinsicht gelogen. Vielleicht würde sie ihm eine zweite Chance geben. Eine Chance, ihr seine Liebe zu beweisen.
Und wenn er auf die Knie gehen müsste, er würde es tun. Sie war seine Versuchung, doch das musste nichts Schlimmes sein. Es könnte sich als seine Rettung erweisen. Letzten Endes hatte sein Leben ohne Bianka keine Bedeutung. Für sie galt dasselbe. Sie hatte ihm gesagt, dass er ihre Versuchung war. Genauso konnte er ihre Rettung sein.
„Danke“, sagte er zu Olivia. „Danke, dass du mir die Wahrheit gezeigt hast.“
„Immer wieder gern.“
Wie sollte er an Bianka herantreten? Wann? Ihn erfüllte einGefühl der Dringlichkeit. Am liebsten hätte er es sofort getan. Doch als Krieger wusste er, dass manche Schlachten gut geplant werden mussten. Und da dies die wichtigste Schlacht seiner Existenz war, würde er sich den besten Plan aller Zeiten zurechtlegen.
Wenn sie ihm vergab und entschied, dass sie mit ihm zusammen sein wollte, hätten sie immer noch einen schweren Weg vor sich. Wo würden sie leben? Seine Pflichten lagen im Himmelreich. Sie fühlte sich auf der Erde am wohlsten, nah bei ihrer Familie. Zusätzlich war Olivia dazu bestimmt, Aeron zu töten, der ab morgen praktisch Biankas Schwager sein würde. Und wenn Olivia sich dagegen entschied, würde ein anderer Engel auserwählt, es zu tun.
Höchstwahrscheinlich würde das Lysander sein.
Eins hatte seine Gottheit ihm jedoch beigebracht: Wahre Liebe konnte alles überwinden. Nichts war stärker. Sie konnten es schaffen.
„Und schon bist du wieder woanders“, stellte Olivia lachend fest. „Bevor du davonstürzt, verrate mir noch, warum du mich hergerufen hast und was Raphael zu dir gesagt hat.“
Ein Teil seiner Freude verpuffte. Während Olivia ihm soeben Hoffnung gegeben und ihn auf den richtigen Weg geführt hatte, musste er ihr nun jegliche Hoffnung auf ein glückliches Ende für sie und Aeron nehmen.
„Raphael ist zu mir gekommen“, wiederholte er. Tu es einfach, sag es! „Er hat mir erzählt, dass der Rat unzufrieden mit dir ist. Er hat gesagt, dass dein anhaltender Widerstand sie langsam ermüdet.“
Verschwunden war ihr Lächeln. „Ich weiß“, flüsterte sie. „Es ist nur … Ich kann mich einfach nicht überwinden, ihm wehzutun. Wenn ich ihn beobachte, erfüllt mich das mit Freude. Und nach so vielen Jahren treuer Dienste habe ich ein wenig Freude verdient, oder etwa nicht?“
„Natürlich.“
„Wenn er tot ist, werde ich niemals die Dinge tun können, von denen ich jetzt träume.“
Er runzelte die Stirn. „Was für Dinge?“
„Ihn berühren. Mich in seine Arme schmiegen.“ Eine kurze Pause. „Ihn küssen.“
Das waren wahrhaftig gefährliche Wünsche. Oh, wie gut er ihre Macht kannte. „Wenn du diese Dinge nie erlebst, ist es leichter, dem
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