Schwarze Piste
Jungbäumen bestandenen Bergwald hinein, überschlug sich mehrfach und blieb schließlich, den Kopf talwärts, liegen. Er hörte Daniela, die ängstlich nach ihm rief. Dann einen spitzen Schrei, der auf ihn zukam, ein Schatten, ein Aufprall und eine Schneewolke, die über ihm niederging. Daniela war bei ihm angekommen.
Nachdem sie sich aus dem Schnee gearbeitet und ihre Skier wieder angeschnallt hatten, wollte sie zur Piste zurück. Kreuthner hielt das für unnötige Mühsal. Wenn man geradeaus den Berg hinunterführe, müsse man zwangsläufig auf die Wallbergstraße stoßen, die im Winter als Rodelbahn diente.
»Aber es ist eh so dunkel. Wenn wir durch den Wald fahren, sehen wir gar nichts mehr«, wandte Daniela ein.
»Die Wolke ist gleich wieder weg. Dann ist alles kein Problem«, beschwichtigte Kreuthner und fuhr los.
Die Wolke aber war ein Tiefdruckgebiet, das den Himmel für die nächsten zwei Tage bedecken sollte. Und so wurde es immer dunkler, je tiefer sie in den Wald gerieten. Daniela versank einmal in einem Loch und ein weiteres Mal in einem Bach, der unter der Schneedecke verborgen lag. Der Bach führte zum Glück nicht viel Wasser, doch dauerte es zehn Minuten, bis sie sich mit Kreuthners Hilfe befreit hatte.
Das fahle Licht ihres Handys beleuchtete ein kleines Areal zu Danielas Füßen, die mitsamt Skischuhen und Skiern im Schnee verborgen waren. »Ich seh nichts. Du?«, fragte Kreuthner.
»Es ist alles verschwommen. Ich hab doch gesagt, dass ich ohne Kontaktlinsen nichts sehen kann.«
»Wie findest du sie sonst, wenn sie dir rausfallen?«
»Entweder mit der, die noch drin ist. Oder ich taste den Boden ab. Oder ich frag jemanden, ob er mir helfen kann.«
»Da hat was geblinkt. Bissl mehr nach rechts leuchten.«
Es war nur der Aluminiumverschluss einer Getränkedose. »Wie kommt denn der hierher?«, sinnierte Kreuthner.
»Das ist mir scheißegal. Ich will meine Linsen wieder!«
»Wir könnten a Markierung hinterlassen und morgen weitersuchen.«
Daniela klammerte sich an dem Skistock fest, den Kreuthner nach hinten hielt. Sie kamen nur langsam voran, denn Daniela traute sich kaum mehr als zwei Meter am Stück zu fahren und weinte die meiste Zeit. Wenn sie nicht weinte, haderte sie mit Kreuthner, weil der sie erst mit Asche überschüttet und später gesagt hatte, dass die nächtliche Abfahrt kein Problem sei.
»Schau! Da vorn, da ist die Rodelbahn.« Kreuthner nahm eine hellere Stelle wahr, die etwa fünfzig Meter voraus lag. Die alte Wallbergstraße, die von Rottach auf den Berg hinaufführte und auf der einst Autorennen ausgetragen wurden, hatte eine vergleichsweise geringe Steigung. Eine Abfahrt war selbst bei schlechten Lichtverhältnissen einfach. Wenn Kreuthner und Daniela sie erreichten, wären sie in wenigen Minuten an der Talstation der Wallbergbahn. Doch erwies sich Kreuthners Vermutung als falsch. Die helle Stelle war nur eine kleine Lichtung im Wald. Ein Wegweiser ließ darauf schließen, dass hier im Sommer ein Wanderweg entlangführte.
»Schau, da sind Wegweiser«, sagte Kreuthner, um Daniela Hoffnung zu machen.
»Was steht drauf?«
»Kann’s net lesen. Ist zu dunkel.«
In diesem Moment tat sich im Tiefdruckgebiet ein Loch auf, und der Mond ergoss sein Licht auf die beiden nächtlichen Skiwanderer. »Kannst du’s jetzt lesen?«
»Ja«, sagte Kreuthner. »Wallberg eineinhalb Stunden.«
»Mir ist kalt.« Daniela steckte die Hände unter ihre Achseln.
Kreuthner sah sich um, ob es nicht doch einen Ausweg gab. Einige Meter weiter erblickte er eine verschneite Bank, die zuvor die Finsternis verborgen hatte.
»Mei is des lustig. Da auf der Bank sitzt a Schneemann. Da hat einer einen Schneemann gebaut. Mitten im Wald!«, ergriff Kreuthner die Gelegenheit, die Stimmung der Truppe zu heben. Nachdem Daniela nichts sagte und nur die Nase hochzog, fuhr Kreuthner zur Bank und betrachtete den Schneemann. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass er den Kopf in den Nacken gelegt hatte und zum Himmel schaute.
»Der hat bestimmt amal a gelbe Rüb’n als Nase gehabt. Vielleicht ist sie runtergefallen.« Kreuthner suchte im Schnee nach der Karotte.
»Hallo!! Ich will bitte nach unten. Wir müssen jetzt doch nicht nach Möhren suchen.«
»Ich hab auch nur gedacht, wenn wir die Nase finden und sie ihm wieder reinstecken, dann schaut das lustig aus und du musst lachen, und dann fahrt sich’s gleich viel besser durch den Wald.«
Daniela hatte keine Worte. Sie bewegte die
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