Schwarze Piste
Krugger zu, sorgsam darauf bedacht, dass sein Schal nicht noch einmal verrutschte. Er trat neben die Fahrertür und klopfte an die Scheibe.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte Krugger den vermummten Arbeiter, nachdem er die Scheibe halb heruntergekurbelt hatte.
»Grüß Gott. Es ist mir sehr unangenehm, aber mein Kollege ist heute Morgen nicht gekommen und ich habe mein Handy zu Hause vergessen. Könnten Sie mir Ihr Handy kurz leihen?« Der Mann klang nicht wie ein Arbeiter. Eine leichte Färbung der Aussprache zeigte an, dass er aus Bayern kam, gleichzeitig aber auch, dass er seinen Lebensunterhalt wohl kaum mit dem Reparieren von Straßen verdiente. Es war jene Sprachfärbung, die man in den gebildeteren Kreisen des Münchner Bürgertums hörte. Das beruhigte Krugger etwas. Andererseits fragte er sich, wer die Ampel aufgebaut hatte, wenn der Mann allein war. Gestern Abend war sie noch nicht da gewesen. Aber Krugger fragte nicht, sondern gab dem Mann sein Handy. Der bedankte sich und steckte das Handy in seine Jackentasche.
»Entschuldigung«, sagte Krugger. »Sie wollten doch telefonieren?«
»Ja, natürlich«, sagte der Mann. Sein Atem ging schnell, die Stimme zitterte wie bei jemandem, der unter großem Stress stand. »Später vielleicht.«
»Könnte ich dann vielleicht mein Handy wiederhaben?«
»Nein, das geht nicht. Ich muss Sie bitten auszusteigen.«
»Warum?«
»Sie sollten jetzt keine Fragen stellen. Es ist besser für Sie, wenn Sie aussteigen.«
Krugger bemerkte, dass die Fahrerin des blauen BMWs hinter ihm ihren Wagen verlassen hatte und auf ihn zukam. Sie trug eine Sonnenbrille, die nahezu ihr halbes Gesicht verdeckte, und einen breitkrempigen Hut.
»Was soll das?«, fragte Krugger.
Der Mann mit der Signalweste hatte mit einem Mal eine Pistole in der Hand und richtete sie auf Krugger. »Steigen Sie aus, verdammt!«, schrie er unvermittelt. Krugger drückte den Verriegelungsknopf, tastete hektisch nach der Kurbel für die Seitenscheiben und ließ sie hochfahren, aber der Lauf der Pistole steckte schon im Fenster und stoppte die Scheibe.
»Lass den Scheiß, du Idiot! Steig endlich aus!«
Krugger öffnete mit zitternden Händen die Tür. Sein Herz raste, in seinem Schädel breitete sich Adrenalin aus, das ein Gefühl verursachte, als habe man ihm eine Dornenkrone aufgesetzt. Nur mit Mühe gelang es Krugger, sein Wasser zu halten. Er hatte keine Ahnung, was der Mann von ihm wollte. Vielleicht war er nur in einen Raubüberfall geraten. Er würde dem Kerl sein Bargeld geben und vielleicht die EC -Karte und könnte weiterfahren. Aber sein Instinkt sagte ihm, dass sich hier etwas anderes abspielte. Dass der Mann, der gerade eine Pistole auf ihn richtete, nicht auf tausend Euro aus war. Und dass er, Krugger, nicht zufällig in diese Falle geraten war.
»Hände auf den Rücken«, befahl der Mann. Krugger tat, was von ihm verlangt wurde. Hinter dem Rücken wurden seine Hände von der Frau gepackt, die aus dem blauen BMW gestiegen war. Er spürte etwas Dünnes, Elastisches, das um seine Handgelenke gelegt wurde. Es war nicht kalt, also nicht aus Metall. Ein Handy klingelte. Es gehörte der Frau aus dem BMW , die den Anruf entgegennahm und einige Schritte zu ihrem Fahrzeug zurückging. Sie sprach leise mit dem Anrufer. Nur den gepressten Ausruf »Scheiße« konnte Krugger deutlich verstehen. Als sie zurückkam, war sie aufgebracht.
»Er muss in den Kofferraum.«
»Wieso das denn?«
»Es gibt gleich Probleme.« Die Frau deutete mit dem Kopf in die Richtung, aus der sie gekommen war.
»Was heißt Probleme?«
»Das heißt, dass wir nicht mehr viel Zeit haben, Herrgott!« Sie nahm Krugger am Arm und führte ihn zum Kofferraum des blauen Wagens. Es war ein relativ neuer 7er- BMW . Die Frau drückte einen Knopf, und der Kofferraumdeckel fuhr mit einem summenden Geräusch langsam nach oben. »Los, rein. Wenn du dich rührst, bist du tot, ist das klar?«
Krugger schielte ängstlich zum Heck des Wagens, als ihn ein heftiger Schlag ins Gesicht traf. »Ob das klar ist?!«, schrie ihn der Mann mit der orangefarbenen Weste an und schlug ihm die Pistole ins Gesicht. Rasender Schmerz durchzuckte ihn. Krugger stieg benommen und mit blutender Augenbraue in den Kofferraum, so schnell sich das mit auf den Rücken gefesselten Händen bewerkstelligen ließ. Der Mann und die Frau schoben ihn bis zur Lehne der Rückbank, breiteten eine Umzugsdecke über ihn und stellten zwei Reisetaschen davor. Dann erneut ein
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