Schwarze Schmetterlinge
dass sie mich anrufen möchte, wenn sie nach Hause kommt.«
»Sie kommt nicht nach Hause. Ich weiß nicht, wo sie jetzt ist.« Ströberg bat, noch einmal anrufen zu dürfen. Die Gedanken kreisten ohne Struktur und Linie in Pers Kopf. Wo war sie jetzt? In ihrer Wohnung – in der Wohnung, in der er nie gewesen war? Verdammt, er kannte nicht einmal die Anschrift. Irgendwo unten am Svartån. Da gab es eine Menge Wohnungen.
Ein Irrtum. Es musste ein Irrtum sein. Er musste an Felicias unbegreifliche Verzweiflung denken, als sie es geschafft hatten, die Frau zu retten, und ihren Unwillen, sich im Flugzeug als Ärztin zu erkennen zu geben. Dasselbe in Rom. Als das Mädchen sich an der Erdnuss verschluckt hatte, war sie nicht mit dem Krankenwagen mitgefahren. Wusste sie, dass man dort ihre persönlichen Angaben prüfen würde? War sie überhaupt Ärztin? Irgendeine Ausbildung im Gesundheitswesen hatte sie offensichtlich. Sie beherrschte ihr Metier. Wie sorgfältig waren die Personalabteilungen bei Bewerbungen? War nicht kürzlich erst in Örebro ein falscher Arzt aufgeflogen? Die nötigen Papiere konnte man sich für eine überschaubare Summe im Internet besorgen. Aber warum sollte Felicia etwas derart Riskantes tun?
Unruhig drehte Per Runde um Runde in der Wohnung, ohne wirklich zu sehen, was er sah – bis er ins Badezimmer kam. Das Regal, auf dem Felicias Hautcremes, ihr Parfüm und ihre Haarbürste gelegen hatten, war leer geräumt. Im Kleiderschrank, in den sich nach und nach ihre Kleider eingeschmuggelt hatten, gab es kein einziges Stück mehr von ihr. Ihre Kräutertees, die in Dosen auf der Spüle gestanden hatten, waren weg, ebenso ihre Bücher und Papiere neben dem Computer und die Schuhe im Flur. Nicht einmal im Wäschekorb gab es noch ein Zeichen dafür, dass sie sich jemals in seiner Wohnung befunden hatte.
Die plötzliche Einsicht, dass sie geplant hatte, ihn zu verlassen, schmerzte ihn noch mehr als ein Aufbruch im Affekt. Sie hatte ihn verlassen, ohne irgendeine Erklärung abzugeben. Wenn er jetzt ganz ehrlich zu sich war, dann hatte es schon Anzeichen gegeben. Die Momente, in denen ein Schatten über ihr Gesicht gezogen war, wenn sie versunken schien und nicht zuhörte. Eine Überreaktion bei plötzlichen Geräuschen oder einer unerwarteten Körperbewegung. Wer bist du, Felicia? Verliebt und blind hatte er es für selbstverständlich genommen, dass sie zusammenziehen würden. Er hatte gefragt, ob sie Kinder mit ihm haben wolle, aber nicht auf die Antwort gehört. Und jetzt?
Er griff nach dem Handy und wählte ihre Nummer. »Die Nummer ist nicht vergeben«, sagte eine Stimme. Er versuchte es im Krankenhaus. Doch dort weigerte man sich, irgendwelche Informationen herauszugeben. Was hatte er auch erwartet?
Auf einmal fand er es seltsam, dass sie nie in ihrer Wohnung gewesen waren, sondern immer bei ihm zu Hause. Er hatte es nie infrage gestellt, dass sie jedes Mal eine Ausrede parat gehabt hatte. Pernilla hatte vom Besitzer der Wohnung gesprochen, Morgan Fernström. Er, der Felicia das Auto lieh und die Wohnung an sie vermietete. Arvidsson suchte die Nummer seiner Firma heraus und rief dort an. Morgan Fernström sei auf Geschäftsreise, hieß es, werde aber im Lauf des folgenden Tages zurückkommen. Mit der Behauptung, er sei ein entfernter Verwandter von Frau Fernström, erhielt Arvidsson die Anschrift seines Hauses in Örebro. Ein schneller Blick auf die Uhr. Konnte man noch stören? Per Arvidsson entschied, dass die Not es erforderlich machte. Mit der Hand auf der Türklinke blieb er stehen und betrachtete die Gerichtsszene in ihrem schwarzen Holzrahmen. Die Wahrheit in Frauenkleidern, die Felicia mit rotem Filzstift beschmiert hatte, war das einzige sichtbare Zeichen, dass sie jemals in seiner Wohnung gewesen war.
Morgan Fernströms Haus war beeindruckend. Der Garten, der von unzähligen Lichtern beleuchtet wurde, erstreckte sich bis zum glänzenden Wasser des Svartån. Zwischen den Hecken und Rabatten standen weiße gusseiserne Bänke mit Blick zum Flussufer. Es gab eine Rampe zum Kücheneingang auf der Rückseite und einen Haupteingang zur Straße hin.
In den Zimmern auf der Rückseite des Hauses brannte Licht, am Vordereingang war es dunkel. Per beschloss, vorne zu klingeln. Es dauerte eine Weile, bis ein Lebenszeichen zu vernehmen war. Er hätte schon fast aufgegeben, als sich die Haustür öffnete. Vor ihm in der beleuchteten Diele saß eine Frau mittleren Alters im Rollstuhl. Ihre Haare
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