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Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Sekunden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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trotzig und mürrisch. Mir fiel auf, daß seine Bettdecke auf dem Sofa lag, und ich dachte, warum in aller Welt schläft er nicht in seinem Bett? Und überall roch es so seltsam, es roch ganz entsetzlich. Ich wollte ins Schlafzimmer, aber er vertrat mir den Weg. Ich griff nach der Tür, doch auch die war abgeschlossen.«
    Jetzt faßte sie sich mit einer Hand ans Herz, und ihr Oberkörper krümmte sich im Sessel. »Ich hatte solche Angst«, sagte sie. »Ich konnte nicht begreifen, was er vor mir versteckt hielt. Ich sagte, mach auf. Ich sagte, ich kenne dich, ich weiß, wann du Probleme hast, und jetzt hast du welche. Ich mußte die Tür mit einem Brecheisen öffnen. Und als sie aufsprang und ich sah, was auf seinem Bett lag, wäre ich fast in Ohnmacht gefallen.«
    Sie kniff die Lippen zusammen und legte die Hand vor den Mund, wie um zu verhindern, daß noch mehr herauskam. Sejer saß vollständig bewegungslos da und wartete. Dann erzählte sie weiter.
    »Ich habe sie sofort erkannt. Aber ich konnte nicht begreifen, wie sie in Emils Bett geraten war. Sie sah unverletzt aus, keine Wunden, kein Blut, aber tot war sie trotzdem, und ich fing an zu schreien. Ich konnte einfach nicht aufhören. Emil Johannes hielt sich die Ohren zu und schrie ebenfalls, er schrie nein, nein, wie er das immer macht. Mir ist so schwindlig«, sagte sie plötzlich. Sie sank nach vorn über den Tisch.
    »Ruhen Sie sich ein wenig aus«, sagte Sejer. »Atmen Sie ganz tief durch und ruhen Sie sich ein wenig aus.«
    Das tat sie. Sejer wartete. Er dachte an das unvorstellbare Entsetzen, mit dem sie konfrontiert gewesen war. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, daß ein Mensch nach einem solchen Erlebnis nicht mehr rational handelte. Er konnte Panik und Verzweiflung verstehen. Aber er dachte, sie müsse doch auch ein überaus tatkräftiger Mensch sein, wenn sie das alles geschafft hatte. Trotz Angst und Panik hatte sie immerhin gehandelt. Kalt, klar und methodisch.
    »Ich streifte ihre Kleidung hoch«, sagte Elsa jetzt. »Ihre Brust war tief eingesunken, als habe jemand sie getreten, und ich schaute Emil an, denn ich hatte das doch schon einmal gesehen, mir war klar, daß er sie getreten hatte, aber das stritt er ab. Er sagte nein, nein, und ich konnte ja auch nicht begreifen, warum er sie hätte treten sollen. Sie war ein niedliches kleines Mädchen. So eins, wie ich mir immer eines gewünscht habe«, sie schluchzte, »als ich jünger war. Aber ich habe nie eins bekommen. Ich bekam nur einen riesigen, verstockten Jungen, der nicht sprechen wollte. Der nie mit anderen zusammensein wollte. Und jetzt hatte er ein kleines Mädchen zu sich nach Hause verschleppt und mißhandelt. Wie damals den Hund, und ich konnte es nicht fassen!«
    Wieder verstummte sie. Sejer machte sich seine eigenen Bilder, als Elsa dann weitererzählte.
    »Weil ich von Emil keine Antwort bekommen konnte, beschloß ich, rasch zu handeln. Ich gab den Versuch auf, das Ganze zu verstehen, ich begriff nur, daß ich einen Sohn habe, der nicht so ist, wie er sein sollte. Und daß etwas Entsetzliches passiert war. Er hatte sich und auch mich entehrt, und das konnte ich nicht ertragen. Nicht jetzt, da ich alt bin und bald ins Grab muß. Ich wollte doch ohne eine solche Katastrophe ins Grab kommen«, weinte sie. »Ich hatte die ganzen Jahre auf ihn aufgepaßt, damit so etwas nicht passiert. Und dann ist es doch geschehen.«
    »Erzählen Sie mir, was Sie gemacht haben«, sagte Sejer.
    »Ich brauchte Zeit, um eine Lösung zu finden«, sagte sie. »Ich fauchte Emil an, ich sagte, jetzt tust du, was ich sage, und zwar ohne einen Mucks, denn wir sind beide fertig, wenn dir irgendwer auf die Schliche kommt. Dann landest du im Gefängnis, schrie ich. Und deshalb wirst du jetzt gehorchen wie noch nie zuvor. Er verhielt sich ganz seltsam«, das fiel ihr jetzt ein, »er stand ganz gerade da, und ich konnte nicht begreifen, warum er nicht total außer sich war. Naja, außer sich war er schon, aber nicht so wie damals bei dem Hund. Er sah verwirrt aus. Als ob das alles auch für ihn keinen Sinn ergäbe. Er verschloß sich nur, und ich hatte keine Kraft mehr, um nach einer Erklärung zu suchen. Ihre Kleider mußten weg. Die waren nicht mehr sauber«, sagte sie und schaute zu Sejer hoch, »ja, und sie stanken. Ich holte Emils Sommerdecke aus dem Schrank und wickelte das Mädchen hinein. Ich sagte, er solle die Tiefkühltruhe im Keller ausleeren. Es war ohnehin nicht viel drin, das war also schnell

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