Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Engel

Schwarzer Engel

Titel: Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
nur durch ein winziges Loch herausschauen.
    Zitternd lehnte ich mich gegen die Wand. Ich weinte, weinte um so vieles, das sich anders hätte entwickeln können. Ich fühlte mich einsam, ganz schrecklich allein. Wer würde mich denn jetzt noch lieben, wer denn? Als ob Gott meine Frage gehört hätte, legten sich plötzlich Arme zärtlich um meine Taille, und ich wurde nach hinten an eine starke Brust gezogen. Jemand legte seinen Kopf dicht an meinen.
    »Wein doch nicht, Heaven«, sagte eine bekannte Stimme. Es war Logan! Er drehte mich um, um mich zu umarmen. »Dein Vater wird am Leben bleiben, er ist eine Kämpfernatur. Er hat noch eine Menge, wofür er leben muß – seine Frau, seinen Sohn und dich. Er ist zäh, war’s ja schon immer. Aber er wird nicht mehr so gut aussehen.«
    »Tom ist tot, weißt du denn das nicht? Tom ist tot, Logan, tot!«
    »Alle wissen, daß Tom wie ein Held starb. Weil er in den Käfig ging, wurden die Löwen, die über den Dompteur hergefallen waren, abgelenkt. Der Dompteur hatte vier Kinder und blieb am Leben, Heaven, er lebt. Jetzt sag etwas zu deinem Pa.«
    Was konnte ich bloß zu einem Mann sagen, den ich immer lieben wollte, aber nie dazu fähig war? Was konnte er mir sagen, jetzt wo es zu spät war für Worte, die uns zusammenbringen konnten? Aber trotzdem sah er mich unverwandt an. Durch die kleine Öffnung konnte ich ein trauriges Auge sehen, und seine verbundene Hand machte eine unbeholfene Bewegung. Als ob er mich berühren wollte.
    »Es tut mir leid«, gelang es mir zu flüstern, »es tut mir so leid um Tom.« Ich wischte die Tränen weg, die mir wieder übers Gesicht liefen. »Alles, was zwischen uns beiden falsch lief, tut mir leid!«
    Ich bildete mir ein, zu hören, wie er meinen Namen murmelte, aber da rannte ich schon zum Krankenhaus hinaus.
    Ich rannte in einen brütendheißen Tag hinein. Dann klammerte ich mich an einen eisernen Laternenpfahl und weinte bitterlich.
    Wie sollte ich ohne Tom weiterleben, wie denn?
    »Komm, Heaven«, sagte Logan; neben ihm humpelte Großvater. »Was geschehen ist, ist geschehen, und wir können es nicht rückgängig machen.«
    »Fanny ist nicht einmal zu Toms Beerdigung erschienen«, schluchzte ich. Ich war froh darüber, daß er mich so ohne weiteres umarmte und mir so vieles verzieh.
    »Ist es denn nicht egal, was Fanny tut oder nicht?« Dabei hob er mein verweintes Gesicht hoch und sah mir ernst in die Augen. »Waren wir denn nicht immer am glücklichsten, wenn Fanny außer Sichtweite war?«
    Sensibel und liebevoll wirkte er, wie er so im strahlenden Sonnenschein vor mir stand. Ich legte den Kopf an seine Brust und versuchte, mit dem Weinen aufzuhören. Dann gingen wir alle drei zum Auto.
    »Du hattest nicht recht mit deiner Behauptung, ich würde dich nicht brauchen«, meinte Logan, als wir schon fast zu Hause waren.
    Das Rauschen der Blätter, der Wind im Gras und der Duft der Wildblumen heilten mich mehr als alle Worte. Überall wohin ich schaute, sah ich Toms grüne Augen. Wenn ich unsicher war, hörte ich ihn im Geist reden, wie er mir Mut machte, weiterzugehen und Logan zu heiraten – aber er riet mir auch, die Berge und Täler zu verlassen, sobald Großpapa tot war.
    Am sechzehnten Oktober begruben wir Großpapa neben seiner geliebten Frau Annie. Alle standen wir in einer Reihe, alle Castells: Pa, Stacie, Drake und Fanny, dazu noch alle Bewohner von Winnerow. Toms tapferes Verhalten hatte ihnen Respekt abgenötigt, nicht etwa mein Geld, meine Ausbildung, meine Kleider oder mein neues Auto.
    Ich senkte den Kopf und weinte, als ob Großpapa wirklich mit mir verwandt gewesen wäre. Bevor wir vom Grab weggingen, streckte Pa seine Hand nach mir aus. »Mir tut so vieles leid«, sagte er freundlich und leise, wie ich es nie von ihm erwartet hätte. »Ich wünsche dir viel Erfolg und Glück bei allem, wozu du dich entschließt. Und ich hoffe, mehr als alles andere, daß du hin und wieder bei uns vorbeischaust.«
    Seltsam, erst jetzt konnte ich dem Mann in die Augen sehen, von dem ich geglaubt hatte, ich würde ihn immer hassen und nichts für ihn empfinden.
    Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich konnte nur nicken.
    In einem einsamen, riesigen Haus wartete noch ein Vater auf meine Rückkehr. Während ich auf dem Hügel stand und mich umsah, wußte ich, eines Tages würde ich nach Farthinggale Manor zurückkehren. Aber dann würde ich weder eine Casteel noch eine Tatterton sein.
    Logan sah mich voller Liebe an. Und jetzt wußte ich,

Weitere Kostenlose Bücher