Schwarzer Koks (German Edition)
gesenkt, aber Amonite hatte sie schon mal gesehen.
Aber wo war El Patrón?
Amonite schob sich an den beiden vorbei und spähte in den Hubschrauber. Es war sonst niemand mehr drin.
Sie stieß einen Stoßseufzer der Erleichterung aus.
»Wer zum Teufel ist das denn?«, fragte sie den Frontmann mit der Gefangenen.
Die Frau hob den Kopf. Ihrer hübschen, wenn auch angeschlagenen Larve war sofort anzusehen, dass sie sie erkannte. Amonite spürte das breite Grinsen auf ihrem eigenen Gesicht. Lucia Carlisla! Sie hatte ganz vergessen, dass sie unterwegs hierher war.
»Komm her, meine Liebe«, sagte Amonite. Sie fasste Lucia bei den Schultern und zog sie auf sich zu. »Was bin ich froh, dich zu sehen.«
Jetzt kam ihr dieser Kershner garantiert nicht mehr aus.
Knisternd kam Leben in Nathans Walkie-Talkie.
»Wir haben hier jemanden, der mit dir reden will, Kershner.« Es war Amonite.
Eine dünne Stimme kam durch das Rauschen: »Nathan?«
»Lucia!«, rief Nathan. »Bist du okay?«
»Lauf, Nathan! Sieh zu, dass du hier rauskommst!«
»Halt den Mund, du dummes Luder«, sagte Amonite.
Das Knistern verstummte.
Nathan sprang auf die Beine. Er musste da noch mal rein und Lucia herausholen.
Aber Manuel hielt ihn zurück.
»Nein, nicht«, sagte er. »Denk an den Plan.«
Kapitel 97
Putumayo, Kolumbien
17. April 2011
Die Sonne stand bereits tief, als Nathan einmal mehr auf den Komplex zuzukriechen begann. Manuel war im Wald verschwunden. Er zog die Leute von der Front hinter sich her, die auf sie Jagd machen sollten. Das Walkie-Talkie war stumm geblieben. Nathan tippte darauf, dass Amonite ihren nächsten Zug plante.
Die Bergfestung war zur Hälfte zerstört. Rauch quoll aus klaffenden Löchern im Hügel. Felsbrocken lagen rundum verstreut, Erdbrocken und zerfetzte Bäume. Das Semtex hatte ganze Arbeit geleistet.
Nathan richtete seinen Beobachtungsposten im dichten Unterholz auf der anderen Seite der Kuppe ein. Er fand eine Mulde, die relativ trocken geblieben war, und bedeckte sich mit Blättern und Zweigen. Er nahm den Rucksack ab, holte den Feldstecher heraus und wartete. Ihm war schwindelig, winzige Lichter tanzten am Rande seines Blickfelds, die Nachwirkungen des schwarzen Kokses. Noch immer war er nicht müde, aber das Gefühl der Unbesiegbarkeit hatte einer rasenden Aggression Platz gemacht. Er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um nicht einfach aufzuspringen und die Anlage im Sturm anzugehen.
Drei Posten marschierten vorbei, den Blick auf die Umgebung gerichtet. Sie bezogen Posten vor etwas, was Nathan nach einem zweiten Eingang in die Festung aussah. Hinter den Bäumen und all dem üppigen Grün war sie kaum zu sehen.
Nathan begann seinen Angriff zu planen. Manuel hatte ihn gebeten zu warten, bis er mit Verstärkung von den Campesinos zurückkam. Die standen zum Angriff bereit und warteten nur auf Manuels Kommando. Aber Nathan hatte keine Zeit. Wenn Lucia da drin war, dann musste er sie herausholen, bevor es zu spät war. Aber es galt jetzt, den richtigen Augenblick für den Angriff abzuwarten. Er musste die Wachen von dem Eingang wegbekommen, sie irgendwie ablenken.
Er mochte etwa eine halbe Stunde dagelegen haben, als das Wummern von Rotorblättern die Luft erfüllte. Ein zweiter Lynx zog einen Kreis über dem ersten und landete, gerade noch zu sehen, auf der Kuppe.
Nathan zoomte die Szene heran. Vier Männer stiegen aus dem Quirl. Drei von ihnen waren die typischen Killer der Front mit kugelsicheren schwarzen Westen und Maschinenpistolen. Der vierte war ein hochgewachsener Karibe mit gekrümmtem Rücken, der mit seinem ausgezehrten Gesicht und den knochigen Achseln eher nach einem Zombie aussah.
Reverend Elijah Evans. Die Zwischenstation in Jamaika. Nathan war sich sicher. Eine Rampe senkte sich aus dem Hubschrauber. Ein weiterer Killer schob einen alten Mann in einem Rollstuhl heraus. Sein Gesicht war entstellt, eine seiner Backen hing ins Leere, ein Auge blickte glasig ins Nichts.
El Patrón.
Nathan holte ihn näher heran. Er versuchte sich die Fotos von Pablo Escobar ins Gedächtnis zu rufen, die er gesehen hatte. Es bestand durchaus eine gewisse Ähnlichkeit, das rundliche Gesicht, die mittlerweile grauen Locken, der stechende Blick. Aber mit Sicherheit hätte er es nicht sagen können. Vielleicht war es nur ein Schwindler, der die Rolle von Escobar zu spielen, sich seiner Reputation zu bedienen versuchte, die zwei Jahrzehnte nach seinem mutmaßlichen Tod noch immer Furcht
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