Schwarzer Valentinstag
Pest?«
Philos Gesicht sah abgemagert und elend aus, die Augen lagen erschreckend tief in den Höhlen und schienen fast schwarz.
»Um Himmels willen, bleib wenigstens jetzt, wo du bist!«
»Was ist mit dir los? Wie kommst du hierher? Wo warst du? Was kann ich für dich tun?«
Philo lächelte müde: »Mit mir ist es aus. Aber hat der Junge nicht gesagt, dass du ein Tuch mitbringen sollst? – Also dann halt es vor dein Gesicht. Reg mich nicht noch auf. So ist es recht.«
Es wäre nicht nötig gewesen, dass Philo ihn dazu aufgefordert hatte: Christoph wurde von einer zunehmenden Panik ergriffen. Er ertappte sich dabei, dass er nur noch auf den Todkranken starrte und an die Ansteckung dachte. Er atmete dieselbe Luft wie Philo, es hieß, die Luft sei vergiftet – aber es ist doch mein Freund Philo, der dort im Sterben liegt! Entsetzt spürte Christoph, wie ihn dennoch ein einziger Drang ergriff – weglaufen, nichts wie weg hier!
Philos Stimme war schwach und heiser. Er erzählte leise und hastig. Wie er von den Wachen gefangen genommen worden war, als er den Weg durch das verlassene Haus in den Speicher gerade erkundet hatte. Wie das halb von ihm beabsichtigt war. Wie Herr Dopfschütz ihn nach zwei Wochen zum zweiten Mal verhört hatte, weil er nicht mehr an die Gauklerübungen glaubte. Wie in diesem Verhör deutlich geworden war, dass Herr Dopfschütz keinen Verdacht hatte, was sie wirklich suchten: »Er ist völlig ahnungslos und meint, wir wollten seinen Speicher ausrauben. Die Wachen haben ihm von einem zweiten Räuber erzählt, den er auch noch haben will. Weißt du, der Speicher ist prallvoll mit Leder, Seidenballen und Gewürzen. Er war aber so aufgeregt, dass es auch noch einen weiteren Grund geben muss – die Sache mit dem kleinen Turm vielleicht? Wollen sie hier ihre Gewaltmittel lagern?«
Philo berichtete weiter, wie er schließlich in dieser Kammer, in der er jetzt sterben müsse, eingeschlossen worden sei, wahrscheinlich, um den anderen Dieb anzulocken.
»Das Schloss ist unversehrt, du kannst es sehen. Sogar ein Bett war da, und das war der Fehler: Regine hat mir einmal aus der Hand gelesen, dass ich in einem Bett sterben werde. Hätte ich mich nur niemals hineingelegt. Das erste Mal in meinem Leben in einem Bett und schon habe ich die Pest.« Er grinste matt.
»Aber dann bin ich krank geworden, die Pestbeulen wurden sichtbar und die Wachen sind verschwunden, die Türe haben sie aufgelassen. Sie haben mich behandelt wie einen Toten. Huny, der Junge, der dich geholt hat, ein Betteljunge, hatte mich schon in der Gefangenschaft mit Essen versorgen müssen. Er ist wiedergekommen, weil ich ihm immer wieder einige Münzen aus der Nase gezogen habe, hat mir Essen und Trinken und Lichter gebracht und an die Türe gestellt, und ich konnte ihn zu dir schicken.«
Tränen stiegen hoch. Aber Christoph konnte nicht zu dem Pestkranken hingehen.
»Ich bin sehr schwach. Das Fieber ist hoch. Die Schmerzen sind schrecklich. Es geht wohl nicht mehr lange. Lass mich nicht zu viel sagen müssen.« Er atmete heftig. »Kurz: Durch dieses Haus hier musst du in den Speicher steigen.«
Er beschrieb ihm den Weg sehr sorgfältig.
Er hustete, seine Stimme war leise und aus der Entfernung kaum mehr zu verstehen: »Wie gerne hätte ich bei diesem Einbruch mitgemacht – «
»Kann ich denn gar nichts für dich tun?«
»Nein! Und jetzt muss ich schlafen – ich bin todmüde. Der Junge versorgt mich, lange wird es wohl nicht mehr dauern. Du sollst die Pest nicht auch noch bekommen! Und vor allem nicht von mir, also geh jetzt und komm nicht wieder. Und vergiss nicht: Einbrecher sind immer barfuß.«
Er hatte es fast unhörbar gesagt.
Nach wenigen Tagen ertrug Christoph ihre alte Behausung nicht mehr. Alles erinnerte an Philo. Seine Flöte lag noch auf dem Tisch.
Es gab jetzt sehr viele leer stehende Häuser in Straßburg, Christoph hätte sich das schönste aussuchen und sich leicht Zugang verschaffen können. Aber man sah diesen Häusern kaum an, ob die Bewohner geflohen oder an der Pest gestorben waren. Denn die Flüchtlinge malten zur Abschreckung meist ebenfalls die weißen Pestkreuze auf die Türen, und Christoph hütete sich ein solches Haus zu betreten.
Er fand ganz in der Nähe des schiefen Hauses eine leer stehende Bretterhütte. Philos Flöte nahm er mit.
Nach einer Woche kam Huny, dem er seine neue Behausung gesagt hatte, und brachte ein Stück eines starken Drahtes, den er zu einem Z geformt hatte –
Weitere Kostenlose Bücher