Schwarzer Valentinstag
und Melchior, schwarz wie die anderen, hatten große Tragkörbe voller Kohlenstücke auf dem Rücken.
Christoph hatte in der Zwischenzeit von den Kindern herausgebracht, dass sie zu Weihnachten gewaschen wurden und eine helle Haut hatten wie er.
»Der Fridolin hat sogar ganz helle Haare, fast weiß«, wurde ihm mitgeteilt, bevor die Mutter die Kinder wegzerrte mit einem schiefen Blick auf den Jungen, auf dessen Schultern die Hand des Henkers geruht hatte.
Florian hatte die anderen auf die Seite gezogen: »Da waren Männer. Sie haben Geld geboten, viel Geld, drei Gulden!«
»Das sind dreißig Schillinge, dreißig Silberlinge wie beim Judas«, sagte Lukas mit rotem Kopf. »Es sind meine Gäste – wehe, es wird ihnen auch nur ein Haar gekrümmt!«
»Man redet ja nur, ist ja schon gut!«
Dem Vater gefiel nicht, wie die Männer zusammen tuschelten, er trat zu ihnen: »Es ist Geld auf unseren Kopf ausgesetzt worden, nicht wahr? – Wie viel ist es denn? – Sind wir ihnen eines oder zwei Goldstücke wert?«
»Drei!«, sagte Lukas. »Aber du bist bei uns sicher. Es ist viel Geld, aber es gibt hier keinen Judas.«
Noch bei Dunkelheit brachen sie am nächsten Morgen auf. Die schwarze Frau hatte für alle einen heißen Brei gekocht und zeichnete auf die Stirn von Lukas das Kreuz. Dann zögerte sie etwas und schlug das Kreuz über die beiden Gäste, die in Lebensgefahr schwebten. Sie schaute dabei auf die Seite und achtete sorgsam darauf, sie nicht zu berühren.
Die drei Begleiter trugen zu ihren Kohlelasten Leinenbündel mit Brotlaiben und Käse. Alle hatten dicke Stöcke und hatten auch den beiden Stöcke gebracht. Aber es zeigte sich, dass der Alte sich nicht aufstützen konnte.
Christoph trug ebenfalls einen Leinensack mit Nahrung. Er war das Wandern schon besser gewohnt als in den ersten Tagen, aber jetzt sollte es sehr hoch hinaufgehen.
Wie schwach, alt und zittrig der Vater in den letzten Wochen geworden war!
Es ging stetig bergauf, manchmal unter riesigen Tannen einen Bach mit dunklem Wasser entlang, der Schwarzenbach hieß. Es gab keinen richtigen Weg, meist nur einen Saumpfad, wie ihn Händler benutzten, die ihre Last auf dem Rücken über das Gebirge trugen. Vor allem Vieh wurde auf diesem Weg getrieben, denn oben auf den Hochflächen waren Viehweiden. Die Hufe der Tiere hatten den Pfad festgetreten, so konnte man ihm gut folgen. Zwischen mächtigen Steinblöcken wand er sich hoch.
An manchen Stellen wurde der Weg so steil, dass die Männer ihre Lasten absetzten und den alten Kaufmann trugen. Das geschah auch, wenn ein umgestürzter Baum den Weg versperrte. Zwei der Männer hielten dann eine grobe Pferdedecke zwischen sich, auf die sich der Alte setzte. Sein Gesicht war dann verbissen, bleich und voller Schweiß. Die Köhler bemühten sich den Gefolterten nicht zu berühren. Sie brauchten lange, lange.
Die Männer wussten Hütten für die Hirten auf der Sommerweide. Da schliefen sie.
Abends wurden Geschichten erzählt.
Melchior erzählte vom Nebelriesen, der oben auf den höchsten Kämmen des Schwarzwalds haust. »Ich bin ihm selbst schon begegnet. Ich war auf dem Rückweg von Straßburg, wo ich Kohle auf dem Markt verkauft habe, oft gehe ich im Sommer über das Gebirge. Es ist näher, aber unheimlich.«
Die Männer bekreuzigten sich.
»Ich ging über den Kniebis und die Grinde so wie wir jetzt, nur in umgekehrter Richtung. Ich kam nicht so schnell vorwärts, wie ich wollte. In der Richtung der Ebene war es hell und die Sonne schickte sich an, so gelb unterzugehen, wie ich es noch nie gesehen habe. Nach Morgen hin, wo sonst endlose Wälder sind, war eine einzige Nebelwand. Gnade mir Gott, wenn ich in diesen Nebel komme, denke ich. Ihr müsst wissen, dass gerade im letzten Jahr ein Händler, ein Jude, sich im Nebel verirrt hat. Der Nebel hat Wochen gedauert und man hat ihn erst viel später gefunden – tot und von wilden Tieren halb aufgefressen. Wie ich da so stehe und in den Nebel starre, steht drüben einer am anderen Hang. Ich rühre kein Glied. Der Kerl ist riesengroß. Das Seltsame ist, dass er einen Schein um den Kopf hat, als sei er ein Heiliger. Er ist wie ein Schatten mit regenbogenfarbenen Strahlen um das Haupt, turmhoch, aber er hat kein Gesicht! Ich wage kaum zu schnaufen. Der Kerl mit der Strahlenkrone steht genauso unbeweglich und steif und schaut mich an. Schließlich, voller Grausen, fasse ich Mut und hebe den Arm – der Kerl hebt auch den Arm! Ich winke – der Kerl
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