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Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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sauber ist wie hier? – Was weiß ich schon über die Juden?
    Die Türe öffnete sich und herein kam ein Mädchen. Sie hatte lange schwarze Haare, die sie in eigenartiger Weise in ein Tuch aus Seide verschlungen hatte. Sie war schön, ein schlankes, biegsames Mädchen.
    »Du bist Christoph, Schalom.«
    »Schalom?«
    »Schalom heißt Friede in unserer Sprache. Es soll also Friede sein mit dir.«
    »Den kann ich brauchen.« Dann besann er sich auf die Höflichkeit: »Friede sei auch mit dir.«
    Sie lächelte und sah noch schöner aus: »Ich kann den Frieden auch brauchen. Ich glaube, alle Juden können ihn jetzt brauchen.«
    Er schaute auf den Boden.
    Das Mädchen nestelte an seinen Haaren herum: »Ich heiße Esther wie meine Großtante aus Spanien, die du ja schon kennst.« Dann machte sie eine Pause und sagte leise: »Du brauchst dich nicht zu schämen. Ich halte dich für sehr mutig. Du hast sehr viel Unglück gehabt und du solltest das Geschwätz meines lieben Bruders Nachum nicht allzu ernst nehmen.«
    »Warum habe ich dich unten noch nicht gesehen?« Er blickte wieder auf. Sie war wohl etwas jünger als er. Sie hatte eine sehr feine Haut, wie er sie noch nie gesehen hatte, und die ihn, obwohl von einem eigenartig hellen Braun, an Elfenbein erinnerte. Ihre Augen waren groß und dunkel. Man sah ihr an, dass sie gerne lachte.
    Sie redete ganz unbekümmert.
    »Weil ich nicht da war. Ich war mit Rebekka, meiner Freundin, bei einer Nachbarin. Sie hat ein krankes Kind und ist selbst krank, da haben wir geholfen. Meine Mutter ist schon seit einigen Jahren tot.«
    Meine auch, dachte Christoph.
    »Wir sehen uns ja noch oft, ich freue mich.«
     
     
    Philo hatte das Haus bei den Gerbern und den Mühlen verlassen und hatte das Steingewölbe am Ufer der Ill bezogen.
    Er fühlte sich einsam ohne seine Zieheltern. Man kannte in Straßburg ihre Gauklertruppe. Er wusste, dass es Menschen gab, die auf sie warteten: auf ihre Künste auf dem Seil, das sie über die Straße spannten, auf das Feuerschlucken und Wahrsagen, auf das Radschlagen und Zaubern, auf das Feuerlaufen, auf die Gaukler, die den Leuten Münzen aus der Nase und den Ohren ziehen konnten und den Kindern bunte Fähnchen aus den offenen Mündern fischten, auf den Jongleur mit den vielen bunten Bällen, nämlich auf ihn, Philo. Allein wollte er das alles nicht. Das meiste konnte er sowieso nicht ohne Balthas und Regine.
    Andere Jongleure kamen und Philo schaute ihnen kritisch zu.
    Aber sie waren schwach – keiner konnte wie er mit acht Bällen jonglieren. Keiner konnte wie er beim Jonglieren mit der einen Hand die Bälle fangen und mit der anderen die Bewegungen der Bälle so geschickt über ihnen begleiten, dass es aussah, als zöge er sie an unsichtbaren Schnüren in die Höhe. Keiner konnte gleichzeitig zwei Bälle mit zwei Händen hochwerfen und dabei einen dritten zwischen beiden Händen hin- und herspielen, als wäre es nichts. Nur er allein konnte das alles.
    Er lebte vom Betteln. Darin war er ja ebenfalls Meister. Er hatte einige neue Masken ausprobiert und damit großen Erfolg gehabt. Das Wichtigste war, dass er sich schnell in jemand anderen verwandeln konnte. So konnte er blitzschnell verschwinden, wenn es darauf ankam, und niemand erkannte ihn wieder, wenn er sich mit unschuldiger Miene wieder zu den Leuten stellte, denen er gerade entwischt war.
     
     
    »Fünfundsiebzig – fünfzehn – zehn«, murmelte Löb.
    Die drei Zahlen waren auch in der großen Stube von Löb ein Rätsel.
    »Die Zahlenfolge kommt in der Kabbala nicht vor. Es dürfte sich um keine Zauberei handeln.«
    »Das haben wir auch so gesehen«, sagte Hannah. »Aber was ist es dann?«
    »Was ist es dann? Was wissen wir?« Löb sprach fast mit monotoner Stimme. »Ich habe viele alte Juden befragt. Ärzte, Händler, Krämer. Ich habe auch den Rabbiner David Walch gefragt. Fast alle meinten, sie hätten die Zahlen so noch nie gehört: fünfundsiebzig – fünfzehn – zehn. Aber ein Arzt sagte, er hätte die Zahlen schon gehört, wenn auch in anderer Reihenfolge.«
    Christoph hielt den Atem an.
    »Kann die Reihenfolge wichtig sein?«, fragte der alte Abraham, der in einem sehr kostbar geschnitzten Sessel saß.
    »Der Arzt hat gesagt, dass er nicht glaube, dass es wichtig sei. Die Zahlen könnten etwas mit der Herstellung zu tun haben. Er meint, dass die Zahlen Mengen bezeichnen, so wie er es von seinen Rezepturen her kenne. Er nimmt also drei verschiedene Stoffe an, die miteinander nach

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