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Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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Junge und Alte, verwitterte Gesichter, struppige Bärte, verhungerte Gestalten. Hölzerne Schnapsflaschen kreisten. Dass es viel weniger Blinde, Krumme und Lahme gab als vor dem Münster, wunderte Christoph nicht mehr. Aber er sah Männer, denen die Wangen durchstochen oder gebrandmarkt waren. Er sah einen, der hatte die rechte Hand und das linke Bein nicht mehr. Das war ein Dieb und Wegelagerer, den sie bestraft hatten. Auch sah er einen, dem sie die Ohren abgeschnitten hatten.
    Christoph musste sich noch immer sehr überwinden sich zu diesen dreckigen, nach Schnaps stinkenden Menschen zu setzen.
    Geredet wurde über den Tod des Alten. Philo verfolgte das Thema hartnäckig.
    »Ich habe ihn gut gekannt. Es war ein versoffenes Schwein, aber sonst ganz in Ordnung.« Es war ein junger, sehr zerlumpter Bettler,der das sagte. Er schielte so grässlich, dass man nicht wusste, ob er einen anschaute oder nicht.
    »Er war selbst schuld. So besoffen, dass er in die Ill geflogen ist. Aber das passt zu ihm.« Das sagte der Dieb, dem sie die Hand und den Fuß abgehackt hatten. Auch er war halb betrunken.
    »Du, mach dich nicht mausig«, sagte der Schieler, »du bist in letzter Zeit ein wenig vorlaut. Du redest gefälligst, wenn du gefragt wirst.«
    Die anderen nickten.
    »Jeder weiß, dass er erstochen worden ist«, sagte ein Bettler, der offenbar nur noch einen einzigen Zahn hatte, dass man ihn kaum verstand, »und sie haben nicht herausbekommen, wer es war.«
    »Es ist ihnen gleichgültig. Wäre es ein Ritter oder Kaufherr gewesen, hätten sie die Folter gebraucht und den Täter schnell gehabt.«
    Christoph wollte etwas sagen, aber er sah den Blick von Philo und schwieg.
    Jetzt redete ein verwitterter alter Bettler, der einigermaßen nüchtern schien und dem die anderen Platz machten: »Er war anders an diesem Abend. Er war sehr aufgeregt. Er hatte es wichtig. Ganz anders als sonst. Er hat sich an jedem Abend in aller Stille voll laufen lassen. An diesem Abend war er anders. Wie soll ich es beschreiben? Er war wie ein Kind an Weihnachten. Er hatte etwas vor.«
    »Mich hat das auch gewundert, dass er mitten in der Nacht noch fortgegangen ist. Er hat gemurmelt und vor sich hin gebrabbelt, aber das hat er immer gemacht«, sagte der Dieb.
    »Wen interessiert, was dich wundert!«
    »Ist er allein gegangen oder war noch jemand bei ihm?«, fragte Philo.
    Der alte Bettler antwortete: »Er ging allein. Aber er kann sich weiter oben mit jemand getroffen haben, das konnte ich nicht sehen.«
    »Hat er etwas mitgenommen?«, fragte Christoph.
    »Vielleicht seine Schnapsflasche, ohne die ist er eigentlich nie gegangen«, antwortete der Alte und nahm selbst einen Schluck.
    »Er hatte sie ja noch in der Hand.«
    »War aber leer.« Ein Einäugiger zeigte seine letzten beiden Zähne. »Den Schnaps hat wohl die Ill ausgesoffen.«
    Die anderen grölten.
    Christoph sah auf einmal seinen Vater vor sich, den stolzen Mann, der zu Pferde gesessen war wie ein Ritter. Wenn er noch leben würde – der Atem stockte –, dann wäre er jetzt ein Bettler wie die! Man konnte es sich nicht vorstellen: Der Vater an einem Feuer unter einer Brücke an der Ill mit einer Schnapsflasche in der Hand, halb betrunken –
    »Was macht die Sache mit dem Blutgeld, mit den sechs Gulden?«, hörte er Philo sagen. »Die würde ich mir gerne verdienen. Könnt ihr mir nichts sagen?«
    »Du spinnst wohl! Die will sich jeder verdienen. Das ist ein Haufen Geld.«
    »Wenn ich ihn gesehen habe – «
    Sofort war es totenstill.
    Philo hob die Hand: »Wenn ich ihn sehe, wo hole ich dann das Blutgeld?«
    Der Alte erhob sich mühsam: »Der Stelzenklaus, du musst es dem Stelzenklaus sagen.«
    »Und wenn ich nicht teilen will?«
    Eisiges Schweigen.
    »Hör gut zu«, sagte der Einäugige gefährlich leise, »wenn du nicht teilen willst – « Er fuhr sich mit der Hand über die Kehle.
    »Der viele Schnaps – «, sagte Christoph angeekelt, als sie weiterzogen.
    »Bankrotteure, Krüppel, Verbrecher – die meisten brauchen ihn, sonst kommen die Erinnerungen. Wir Gaukler saufen nie, sonst fallen wir vom Seil und verlieren die Bälle.«
     
     
    Einmal kamen sie am Ende einer schwarzen Gasse, die sich platzartig erweiterte, an ein sehr hohes steinernes Haus, in dem sämtliche Fenster von innen hell leuchteten wie zu einem Fest. Selbst die Fenster im Giebel waren hell. Doch alles war tot: Keine Musik erklang, keine Stimme war zu hören.
    Das Haus war sehr stattlich, wie das Haus eines großen

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