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Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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tun?«
    »In der Schweiz tun sie was. Auch in Frankreich tun sie was«, fuhr der Bäcker fort.
    »Was denn, um Himmels willen?«
    »Sie bestrafen die Juden! Aber unsere Oberen tun nichts. Sie schlafen!«
    Christoph und Philo stellten sich zu der Gruppe, die ständig wuchs.
    »Ja, die Juden haben unseren Herrn Jesus ans Kreuz geschlagen. Damit hat es angefangen.«
    Er sprach leise, die hinteren drängten nach vorne: »Jeder weiß, dass die Juden den Christen feindlich sind. Hätten sie sonst unseren Herrn und Heiland an das Kreuz geschlagen?«
    Alle bekreuzigten sich.
    Philo und Christoph drängten sich nach vorne.
    »Sie wollen nichts anderes als die Herrschaft über die Welt. Jetzt hört gut zu: Es gibt ein Gift, das kommt von den Heiden, den Söhnen Mohammeds aus Afrika. Das sind auch unsere Feinde. Wer es isst oder trinkt, der bekommt die Pest und stirbt. Dagegen ist kein Kraut gewachsen.«
    Irgendwo hinter einem Fenster weinte ein Kind.
    Der Bäcker machte eine Pause und unterstrich seine Worte mit den Händen: »Mit diesem Gift vergiften die Juden die Christen. Zum Schluss gehört ihnen die ganze Welt.«
    »Und wie – «
    »Was und wie? Sie tun es in die Brunnen. Alle müssen trinken, also trinken alle die Pest! So einfach ist das!«
    Christoph zuckte plötzlich zusammen. »Dort drüben«, flüsterte er und zog Philo am Arm. »Komm!«
    Auf der anderen Seite des kleinen Platzes stand der krumme Bettler mit der Narbe. War er ihnen etwa gefolgt? Hatte er sie gesehen?
    »In der Menge bleiben«, zischte Philo, »nicht hinsehen.«
    Sie gingen langsam weiter. »Hat er uns gesehen?«
    »Wissen wir nicht«, flüsterte Philo, »aber gleich werden wir es wissen.«
    Da! Er war wieder hinter ihnen. Er folgte in immer gleichem Abstand, seine lange hagere Gestalt ragte über die Köpfe des Gewimmels in der Gasse heraus. Manchmal konnten sie die Narbe in dem schwärzlichen Gesicht erkennen. Er war zäh, hielt Schritt und war offenbar entschlossen die Verfolgung unerbittlich fortzusetzen.
    Christoph hatte das Gefühl, als gingen sie durch halb Straßburg. Einmal, als er sich umschaute und die Gasse hinter ihnen anstieg, erschien der Bettler oben, als wandle ihnen ein Turm nach.
    »Wir könnten doch zu deiner Höhle rennen, ihn abschütteln und darin verschwinden. Wir sind schneller als er. Heute Nacht suchen wir dann ein neues Quartier.«
    »Das ist eine gute Idee – zu meiner Höhle. Der wird schauen! Aber lass dir Zeit.« Philo griff nach Christophs Arm und ging betont langsamer.
    Auch die Gestalt hinter ihnen verzögerte den Schritt.
    Philo ging noch langsamer.
    »Was soll das?«, flüsterte Christoph erregt. »Du kannst ihm ja gleich eine Einladung zu meiner Ermordung schicken.«
    »Wart’s ab!«
    Da war das abendliche Illufer, der abschüssige Hang mit den Sträuchern, die Steine und der Unrat, umspült von Wellen, das Ufer auf der anderen Seite erschien bereits schwarz unter dem gelblichen Himmel. Da war der Strauch mit den weißlichen Blüten vor Philos Höhle. Christoph duckte sich und zog Philo am Arm hinunter.
    »Wart noch – er soll uns sehen! Jetzt, jetzt sieht er uns – schnell hinein!«
    Die Schwärze und Nässe der Höhle umfing sie.
    Philo hatte Christoph nach hinten gezogen: »So, erst mal Licht. Willkommen in der Unterwelt.«
    Christoph war schon öfter hier gewesen, aber nie gerne. Die Luft war erfüllt von Moder und Verwesung. Die regelmäßigen Steinquader an den Wänden schimmerten grün, als Philo an einem eisernen Kasten, in dem er Glut aufbewahrte, einen Kienspan anzündete.
    Algen und Wurzeln hingen in Schlieren vom Gewölbe. Überall tropfte es.
    »Für den Kerl da draußen sitzen wir jetzt in der Falle!«
    Einen Bretterverschlag hatte sich Philo gebastelt und abgedichtet, der einigermaßen trocken war. Hier konnte er zur Not schlafen, hier hatte er seine Kleider für verschiedene Tätigkeiten, wie er sagte, aufbewahrt, bevor er sie in das schiefe Haus gebracht hatte: »Hier schimmeln sie so schnell!«
    »Hierher bringe ich sie vorläufig auch wieder zurück. So, nun beachte bitte den Rauch meines Kienspans.« Philo deutete in das Gewölbe hinein. »Bitte zu folgen – der Weg in die Sicherheit. Er ist nie angenehm.«
    »Wenn du nur nicht immer in Rätseln sprechen würdest.« Christoph war es nicht wohl in dieser feuchten Dunkelheit.
    »Zu den Juden!«
    »Was heißt das?«
    »Dass dieses hässliche Gewölbe einen zweiten Ausgang hat, der Rauch, der nach hinten abzieht, beweist es. Der krumme Kerl

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