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Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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als Mörder vorstellen. Ebenso wenig Herrn Schwarber und Herrn Twinger, ein Verwandter des Herrn Schwarber, beide sind auf der Seite der Juden. Herr Schwarber hat sehr großen Einfluss. Ein aufrechter, angenehmer Mensch mit schmalem Gesicht, nicht sehr groß. Alles keine Mörder.«
    »Und andere?«
    »Den Bäckermeister Wangenbaum könnte ich mir eher als Mörder vorstellen, ein breitschultriger, roher, intriganter Mensch. Sein Vater war noch ein kleiner Bäckermeister. Der Sohn hat es dann mit Intrigen in der Zunft bis zum Ratsherrn gebracht und ist heute der größte Bäcker in Straßburg. Aber ich glaube, er ist nicht mehr oft in der Backstube: Er hetzt in allen Gassen gegen die Juden. Er ist fast der Schlimmste, auf einen Toten kommt es dem nicht an.«
    Christoph erinnerte sich an den Bäcker mit dem mehligen Gesicht, der vom Brunnenvergiften gesprochen hatte.
    »Es gibt zwei, drei Kaufleute, mit denen er unter einer Decke steckt. Da ist vor allem der Herr Mühlendamm, eigentlich ein Konkurrent von ihm, auch ein Bäcker. Sie haben sich bekämpft bis aufs Messer. Aber seit einiger Zeit sind sie im Rat ein Herz und eine Seele – Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Ein dritter heißt Lobsack, ein Gerber, soviel ich weiß, von dem man wenig hört. Er ist immer derselben Meinung wie Herr Wangenbaum.« Löb seufzte. »Es gibt noch einige Gruppen im Rat, die nicht ganz so viel zu sagen haben, aber hier müssen wir ansetzen. Für Herrn Schwarber und Herrn Dopfschütz lege ich die Hand ins Feuer.«
     
     
    Dieses Gefühl der Ohnmacht stieg wieder auf, das Christoph in einen hilflosen Zorn versetzte. Aber er konnte nur im Hause herumlungern, wie er das bei sich nannte. Freilich, er half Löb im Kontor, er konnte Schriftstücke abschreiben oder ordnen. Er konnte selbstverständlich nicht wirklich in die Geschäfte hineinsehen, wie er das bei seinem Vater soeben begonnen hatte. Er wusste gut, dass seine Arbeit nichts wert war. Er war geduldet, er war geborgen und er fügte sich manchmal in diese Geborgenheit wie in eine Decke, in die man sich einhüllt, aber meist fühlte er sich unzufrieden und abhängig.
    Nur nachts konnte Christoph das Haus verlassen. Löb sah es nicht gerne, wenn ihn Philo abends abholte und die beiden durch die nächtliche Stadt streiften. Nachum wäre gerne mitgegangen, erhielt aber keine Erlaubnis.
    Abraham hatte durchgesetzt, dass Christoph gehen durfte. Er sollte wenigstens das Gefühl haben, dass er etwas dazu beitrug, seine Lage zu verbessern. »Es gibt Dinge, die sind wichtiger als Sicherheit.«
    Christoph begriff erstaunt, dass er nur hier sein konnte, weil Abraham so dachte.
    Die Stadt, das war ein Riesenkörper mit einem Gewirr von schmalen Gassen, über denen die schwarze Masse des Münsters hockte. Manchmal war die obere Zone des Münsters grell beleuchtet vom Mond, während unten die Nacht saß und Ratten über die Stufen huschten. Die schweren Portale waren auch nachts nicht verschlossen, und so schlichen sie sich ab und zu in den riesigen Raum, in dem sich die Säulen in die Dunkelheit hinauf verloren, von unten flackernd vom Licht unzähliger Kerzen beschienen. Auf den Altären schimmerten die goldenen Reliquienschreine. Im vorderen Querschiff gab es eine Säule, an der steinerne Propheten standen und Erzengel zum Jüngsten Gericht bliesen.
    Philo holte irgendwann im Münster seine Bälle hervor und ließ sie wirbeln: »Weißt du, das Jonglieren gefällt vielleicht dem lieben Gott auch. Wann bekommt er so etwas schon zu sehen? Und schließlich habe ich diese Gabe ja von ihm, und da darf er ruhig sehen, dass ich etwas daraus gemacht habe.« Manchmal, wenn es Mitternacht geschlagen hatte, hörten sie Mönchsgesänge hinter Klostermauern und hörten lange zu.
     
     
    Einmal sahen sie im Mondlicht wie durch einen Ausschnitt das schiefe Haus, aus dem sie der narbige Bettler vertrieben hatte. Der Giebel mit seiner düsteren Brettergalerie neigte sich in der Nacht noch gefährlicher dem Wasserspiegel zu, in dem die Leiche des Alten gefunden worden war.
    Am Ufer der Ill saßen in warmen Nächten oft noch Bettler und tranken. Sie waren misstrauisch, denn sie kannten Philo nur in seiner Maske als Bettler.
    Philo hatte aber Christoph völlig verkleidet. Er ging in Lumpen und hatte einen blutigen Verband um den Kopf gewickelt. Ein Pflaster klebte über einem Auge.
    »Jetzt würde dich nicht einmal deine Mutter erkennen.«
    Die Bettler wärmten sich unter den Brücken an kleinen Feuerchen.

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