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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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euer Vermögen ein paar Millionen
nach unten korrigieren müsst, ist der Verlust nichts weiter als ein
imaginärer Aktienwert, der ohnehin nie realisiert worden ist.«
    »Worauf willst du hinaus?«, fragte Per Ole aufgebracht.
»Hältst du mir eine Moralpredigt? Ist es moralisch verwerflich, wenn ich mich
von einer Beschäftigung ernähre, die nicht nur weltweit Legitimität
genießt, sondern auch all den Wohlstand trägt, der die Weltwirtschaft in Gang
hält, der die Räder am Rollen hält, hier in Norwegen, in den USA, auf der
ganzen Welt?«
    »Ich will nichts weiter, als deine besserwisserische Haltung
ein bisschen anzukratzen. Es gibt Dinge im Leben, die sind wichtiger als
Geld.«
    »Das sagst du, der du mich als Parasit bezeichnet hast.«
    »Das war ein Bild.«
    »Das mich mit eingeschlossen hat.«
    Vebjørn holte schwer Atem. »Es gibt Dinge im Leben, die
wichtiger sind als Geld«, wiederholte er inständig.
    Per Ole antwortete nicht. Es gab nichts zu sagen.
    »Du hast einen Bruder …«
    »Wie viele solcher Gespräche hast du mit Anders
geführt?«
    Vebjørn schwieg. Per Ole hatte einen wunden Punkt getroffen,
und es gelang Vebjørn nicht, das zu verschleiern. Zum ersten Mal seit langer
Zeit musste Vebjørn an seinen Vater denken. Der Holzfäller, der im Schein des
Kaminfeuers die Naturbeschreibungen Harry Martinsons las, während sein rauer
Zeigefinger Wort für Wort den Zeilen folgte. Plötzlich fühlte Vebjørn sich
erschöpft, ermattet. Er hätte Per Ole sagen können, dass er es nicht
schaffte, mit Anders zu reden. Dass zwischen ihm und seinem jüngsten Sohn eine
Wand aus Glas zu bestehen schien. Er hätte sagen können, dass er es nie
geschafft hatte, mit seinem Vater zu sprechen. Aber er konnte nicht.
    Er sagte: »Ich wollte dich um Rat fragen.«
    Per Ole warf seinem Vater einen kühlen Blick zu.
    »Ich habe vor, Anders eine Stellung anzubieten«, sagte
Vebjørn und räusperte sich. »Im Konzern. Ich glaube, na ja, wir wissen ja
beide, dass er Fähigkeiten hat, aber ich glaube, dass er einen Schubs braucht,
ich habe mich gefragt, ob du …«
    »Sei so gut und sprich nicht weiter«, sagte Per Ole
hart.
    Vebjørn schwieg und sah seinen Sohn an. Wie sollte er eine
liebevolle Botschaft formulieren, die nicht klebrig klang, sondern wie wirklich
empfundene Zärtlichkeit, so-dass der Kern seiner Aussage verstanden wurde und
seinen Sohn erreichte? Sollte er beispielsweise sagen: »Per Ole, du hast eine
kranke Mutter. Ignoriere das nicht, denn ihre Krankheit beeinflusst unser aller
Leben.« Oder sollte er sagen: »Per Ole, wie viele Jahre bin ich nun mit einer
kranken Frau verheiratet?« Sollte er sagen: »Es macht mir Sorgen, dass du
Schwierigkeiten mit deinem Bruder hast. Es macht mit Sorgen, dass deine
Freundin die Frau ist, die dein Bruder geliebt hat und vielleicht immer noch
liebt.« Warum sollte er das sagen? Als wüsste er nicht, dass Per Ole jedes
Gespräch über Anders verabscheute. Nur, weil er sich einbildete, dass Anders
mehr geliebt wurde als er selbst – wie alle Kinder auf ihre Geschwister
neidisch und eifersüchtig auf die Liebe sind, die Vater und Mutter ihnen
geben. Sollte er sagen, dass er gesehen hatte, wie Anders in einem Aufzug mit
seiner Exgeliebten kopulierte? Sollte er versuchen, in Worte zu fassen, was
dieser Anblick in ihm ausgelöst hatte? Dass er sich einen Moment lang wie im
Fegefeuer gefühlt hatte, wo sich Gott und Teufel zusammengerottet und ihm ins
Gesicht gelacht hatten? Wäre es richtig zu sagen, dass er sein Leben als
misslungen betrachtete? Dass er sich verachtete? Dass er das Klischee eines
Mannes war, das den meisten Männerklischees entsprach: Er hatte Erfolg im
Beruf, im Privatleben jedoch eine Niederlage nach der anderen kassiert und
verursacht. Sollte er sich selbst dafür beschuldigen, dass seine Söhne in
einem Zuhause aufgewachsen waren, in dem es keine Liebe gab? Sollte er seinem
Sohn gestehen, dass er am meisten fürchtete, was sich in Per Oles Lebensstil
bereits abzeichnete – ein menschliches Fiasko. Dass er fürchtete, sein Sohn
würde diese Pleite wiederholen, die er selbst durchlitten hatte? Wie sollte er
die inständige Bitte formulieren, dass sein Sohn umkehren möge, ehe es zu
spät war – ohne sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen?
    Er räusperte sich. Er holte Atem und sprach das erste aus,
was ihm in den Sinn kam:
    »Ich habe doch nur euch beide.«
    Sein Sohn hörte es nicht. Jedenfalls erfolgte

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