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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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mich nicht herabwürdigen«, erklärte er dem toten Mann. »Ich tue, was ich tun muss. Wenn das Verderbtheit ist, soll es so sein.« Er leckte sich die trockenen Lippen. Er hatte kein Wasser getrunken. Er musste für dies hier fast dehydriert sein. Seine Zunge fühlte sich dick an.
    Der tote Mann erwiderte etwas, aber der Gefangene beachtete ihn nicht. Für einen Moment vergaß er, was als Nächstes kam. Er musste Wasser lassen. Er wollte sich hinlegen. Orholam, er war müde. Wenn er sich nur ausruhen könnte, würde er die Kraft haben …
    Schlagen! Das war es, was als Nächstes kam. Ein klein wenig mehr Schmerz und dann Freiheit. Ein klein wenig mehr. Du bist ein Guile. Du darfst nicht so in Ketten liegen. Du bist das Prisma. Dir wurde Unrecht getan. Die Welt muss deine Rache kennen.
    Er musterte jede sichtbare Oberfläche seines Körpers.
    Dann begann er sich zu schlagen. Überallhin, wo er es sehen konnte. Er schlug hart zu.
    »Das kommt dir vernünftig vor?«, fragte der tote Mann. »Vielleicht waren sechzehn Jahre in Blau nicht genug für dich.«
    Der Gefangene ignorierte ihn. Er schlug sich auf die Unterarme, den Magen, die Brust, überallhin, nur nicht dorthin, wo die Schnittwunde war – er wollte so kurz vor dem Sieg nicht ohnmächtig werden. Jede Oberfläche seines Körpers, die er sehen konnte, schlug er, bis sie empfindungslos war, taub gegen den Schmerz und – wichtiger noch – rot.
    Sein Bruder war nur ein Mensch. Obwohl er ein Superchromat war, machte selbst er winzige Fehler. Darauf hatte er gesetzt. Das war auch der Grund, warum sein Bruder nichts Farbiges hier unten gelassen hatte. Wenn er das blaue Licht perfekt geschaffen hätte, alles in nur einem einzigen unglaublich engen Spektrum, wäre hier nur blaues Licht gewesen, das von keinem andersfarbigen Gegenstand reflektiert werden würde. Sein Bruder hätte sich dann keine Sorgen zu machen brauchen, selbst wenn sein Gefangener rote, grüne oder gelbe Brillen gehabt hätte. Aber der winzige grüne Blitz, den Dazen jedes Mal sah, wenn er in seine Schale pinkelte, bevor die Farbe verschwand, sagte ihm, dass in dem Blau auch anderes Licht enthalten sein musste.
    Jetzt hing alles davon ab, wie viel und wie schnell er wandeln konnte.
    Schaudernd und heftig zitternd vom Fieber und von den Schlägen war seine Haut fast blutig, als er pinkelte. Nicht direkt in die Kuhle. Nicht direkt in die Haarschale. Wenn er zu fest pinkelte, würde vielleicht das Fett weggeschwemmt, das er so sorgfältig auf der Innenseite der Haarschale verrieben hatte. Also pinkelte er in seine Hand und ließ die warme Flüssigkeit sachte in die Haarschale fließen.
    Du hast mich zu einem Tier gemacht, Bruder.
    Aber wenn er ein Tier war, war er ein Fuchs. Die Dehydrierung machte seinen Urin so schockierend gelb, wie sein Körper es nur vermochte, und die gewebte, gefettete Haarschale hielt. Sein Herz tat einen Satz – er wollte weinen –, als er zum ersten Mal seit sechzehn Jahren Gelb sah. Gelb! Es gab hier also doch noch anderes Licht. Bei Orholam, es war wunderschön.
    Er wandelte davon. Nur eine winzige Menge, während die Schale sich langsam leerte. Er wandelte eine gelbe Kugel, nicht einmal so groß wie sein Daumen, in die Innenfläche seiner linken Hand.
    Sie begann sofort in Licht zu verschimmern – aber in gelbem Licht. Zum ersten Mal sah Dazen seine Zelle in etwas anderem als blauem Licht. Er sah seinen Körper in etwas anderem als blauem Licht. Und da es auch kein ganz reines Gelb war, machte es Rot erheblich leichter zu sehen.
    Und sein ganzer Körper war rot von seinen Schlägen.
    Dazen wandelte Rot, so inbrünstig er konnte, selbst während die kleine gelbe Kugel erlosch und verschwand. Es war genug. Es musste genug sein. Die Haut an seinem rechten Arm sah dumpf aus in dem blauen Licht, das abermals die Zelle beherrschte, aber er wusste, dass sie rot war.
    Und jetzt der eigentliche Grund, warum er sich selbst zu einer fiebrigen Entzündung verholfen hatte.
    Er wandelte Hitze von seinem eigenen Körper. Es war unglaublich ineffizient. Es hatte noch nie funktioniert. Er zitterte, das Fieber war so schlimm, dass er nicht denken konnte. Gewiss … gewiss …
    Er nutzte die Hitze seines Körpers, versuchte sich vorzustellen, dass sie in Wellen wie von einer Wüste aufstieg. Eine winzige Flamme, ein Funke, war alles, was er brauchte. Er hatte so viel, wie er bekommen konnte. Wie ein alter Mann stützte der Gefangene sich auf. Magie hatte Gewicht, und bei der

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