Schwarzes Verlies (German Edition)
stumm.
„Ausbruchsversuch?“, wollte einer wissen, offensichtlich nur zu bereit, ihr eine ordentliche Abreibung zu verpassen.
„Nein. Aber ich bring sie eine Weile nach draußen“, erwiderte Atlas.
„Warum?“, fragte der andere überrascht. „Da draußen ist doch nichts.“
„Ihre Schlangenzunge beleidigt meine Ohren. Deshalb hat sie eine neue Strafe verdient. Ich will ich sie mit dem quälen, was sie nicht haben kann.“
Genau die Worte, die sie einst Aergia, Göttin der Faulheit, entgegnet hatte. Er erinnerte sich also noch.
Doch die Wache war hartnäckig. „Ist das abgesegnet von …“
„Ich höchstpersönlich bin für dieses Gefängnis und seine Insassen zuständig. Jetzt halt die Klappe, und mach deine Arbeit.“ Mit diesen Worten drängte Atlas sie aus dem Gebäude und ins Sonnenlicht. Niemand sonst versuchte, ihn aufzuhalten.
Als der erste Sonnenstrahl auf ihre Haut traf, riss sie sich von ihm los und blieb stehen. Sie badete in diesem Moment. Wolken! Sonne! Sie schloss die Augen, warf den Kopf zurück und breitete die Arme aus. Die Wärme, gefolgt von einer kühlenden Brise … die Helligkeit – ihre Haut sog alles begierig auf. Oh, wie sie das vermisst hatte! Nur zu gern hätte sie auch Tempel und sonnendurchflutete Straßen und Leute gesehen, doch sie würde nehmen, was sie kriegen konnte, ohne sich zu beschweren.
Starke Arme legten sich von hinten um sie. „Du bist schön“, murmelte Atlas, die Nase sanft an ihr Ohr geschmiegt, förmlich schnurrend. „Weißt du das?“
„Ich weiß, wie ich aussehe.“ Mit flatternden Wimpern öffnete sie die Augen. Wolken umspielten ihren Körper, verschleierten alles wie einen Traum. Das Herz hämmerte ihr gegen die Rippen, und sie hätte sich nicht davon abhalten können, ihm die Hände auf die Brust zu legen, wenn ihr Leben davon abgehangen hätte. Auch sein Herz raste, stellte sie erstaunt fest. War er … Erregte sie ihn womöglich ebenso sehr wie sie ihn? „Und schön ist kein Wort, das in meine Beschreibung passt.“
Er hob den Kopf und blickte auf sie hinab. Zärtlichkeit machte sein Gesicht weich, und sie dachte, dass er niemals attraktiver ausgesehen hatte. „Dann siehst du dich nicht so, wie ich dich sehe.“
Wie sah er sie? So sehr, wie er sie hasste, musste er sie mit Hörnern, Reißzähnen und einem Teufelsschwanz vor sich sehen. Doch konnte das stimmen? Schließlich hatte er sie gerade ins Paradies geleitet.
Sie räusperte sich, zu ängstlich, um nachzufragen. „Warum hast du das für mich getan?“ Eine wesentlich einfachere Frage. Und die Antwort darauf würde vermutlich nicht den letzten Rest ihres weiblichen Stolzes vernichten.
„Ich habe meine Gründe“, erwiderte er schlicht. „Also, so gern ich auch mit dir an genau diesem Ort bleiben würde, wir haben nur wenig Zeit. Willst du die hier verbringen oder damit, zu essen, was ich vorbereitet habe, und zu baden? Ich weiß, dass das die Dinge waren, die mir während meiner Gefangenschaft am meisten gefehlt haben.“
„E…essen. Baden.“ War das alles real? Oder träumte sie nur wieder von ihm? Nichts sonst hätte diese Veränderung in ihm erklären können, diese neuartige Situation.
Er küsste sie auf die Nasenspitze. „Essen und ein Bad sollen es sein. Komm. Da ich dich nicht aus dem Reich hinausbeamen kann und es hier keine Häuser, Gaststätten oder Läden gibt, habe ich einen Kilometer nördlich von hier ein Lager aufgeschlagen. Außer Sichtweite des Gefängnisses.“
Ein Traum, ganz sicher. Vielleicht ein Trick, wie sie anfangs vermutet hatte. Doch sie ließ sich widerstandslos von ihm durch die Wolken führen.
8. KAPITEL
Als sie endlich das Lager erreichten, das Atlas vorbereitet hatte, war er schmerzhaft hart. Die ganze Meile vom Gefängnis bis hierher war Nike an seine Seite gepresst gewesen. Ihr weiblicher Duft war ihm in die Nase gestiegen, und er hatte ihre Hitze direkt auf seiner Haut gefühlt.
Beim Anblick des Zelts, das er aufgestellt hatte, hielt sie die Luft an. Mit großen braunen Augen sah sie voller Staunen zu ihm auf, bevor sie losrannte und ungebremst durch die Eingangstür stürmte. Und noch einmal hörte er sie nach Luft schnappen.
Grinsend folgte ihr Atlas hinein. Er mochte diese sanftere Seite an ihr. Sie stand in der Mitte des Zelts und drehte sich um sich selbst, versuchte offenbar, alles auf einmal aufzunehmen. Auf dem Fußboden hatte er Felle ausgebreitet, daneben stand ein kleiner Tisch, auf dem sich ihre Lieblingsspeisen
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