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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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sie gar nicht wissen.
    Sie stand auf und rieb sich die ausgekühlten Glieder. Es war Mitte November, und obwohl der Wetterbericht für die Jahreszeit ungewohnt milde Temperaturen vorausgesagt hatte, war es kühl und nass. Die zähen Nebelschleier zwischen den Tannenwipfeln passten hervorragend zu ihren finsteren Gedanken.
    Hanna ging weiter, bis sich die Nadelbäume lichteten. Buchen mit dunkelgelben Blättern setzten jetzt farbige Tupfer zwischen die fast schwarz anmutenden Tannen. Der Boden war mit dickem Moos überwuchert, das sich tiefgrün über Wurzelstöcke und Felsbrocken den Abhang hinunterzog. Hanna hörte ein leises Rauschen und blieb stehen. Das musste der Fluss sein, der sich tief in das Tal unter ihr gegraben hatte. Die Rabenschlucht.
    Ob es hier wohl etwas Lohnendes zu entdecken gab? Bei ihren Vorrecherchen war sie weder in den Schwarzwaldführern noch im Internet auf verwertbare Fakten gestoßen. Sie hatte lediglich herausgefunden, dass auf einem Felsplateau in der Rabenschlucht einst eine Hinrichtung stattgefunden haben sollte. Und dass die alten Einheimischen sich noch heute alle möglichen Gruselgeschichten davon erzählten.
    Das Rauschen schwoll an und begleitete sie den steiler werdenden Berg hinauf. Keuchend verwünschte sie ihre schlechte Kondition, als der Weg sich nun beinahe senkrecht in kleinen Serpentinen und zwischen Steinblöcken und Bäumen hindurch nach oben wand. Der Untergrund war glitschig, der Weg kaum mehr als ein matschiger Schlammpfad. Kein Geländer bot Schutz vor einem Sturz in den Abgrund, kein Schild mahnte den Wanderer zur Vorsicht. Offenbar war sie eines der überaus seltenen Exemplare Mensch, die dämlich genug waren, sich im kalten, nebligen Spätherbst und in etwa so klettertauglich wie ein holzwurmgeplagter Pinocchio diesen halsbrecherischen Viehpfad hinaufzuquälen.
    Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen, tastete sich von einem festen Stück Boden zum nächsten. Schließlich wurde das Gelände eben, und vor ihr ragte das Felsplateau auf. Schwer atmend blieb sie stehen, strich sich die schweißverklebten Haarsträhnen aus dem Gesicht und blickte hinauf.
    Aus einem dreieckigen Felsspalt sprudelte mit lautem Dröhnen eine Fontäne kristallklaren Wassers hervor. Sie ergoss sich auf eine darunterliegende, weitläufige Felsplatte und stürzte von dort in unzähligen kleinen Rinnsalen die zerklüftete Tiefe hinab, die das Plateau wie ein Festungsgraben umgab. Die Bäche schienen einander zu jagen. Unten vereinten sie sich in einem Becken und tosten von dort als reißender Strom durch das Tal.
    »Wow«, sagte Hanna leise, »nicht schlecht.«
    Sie kramte ihre kleine Digitalkamera aus dem Rucksack, machte ein paar Bilder und überlegte, ob sie versuchen sollte, über den Abgrund und die Felsen bis ganz zum Plateau hinaufzuklettern. Einen Zugang sah sie nicht, aber sie hatte im Internet gelesen, dass es einen geben und der Ausblick von oben ebenso grandios wie die Kletterpartie riskant sein sollte.
    Neugierig umrundete sie das Felsgebilde, konnte aber keinen Weg hinauf entdecken. Nach einer halben Stunde gab sie die Suche auf.
    Den rutschigen Steig, der sie hergeführt hatte, wollte sie kein zweites Mal gehen. Umso mehr freute sie sich, als sie einen überwucherten Nebenpfad bemerkte. Sicher würde er nach unten führen und früher oder später in die Straße zum Parkplatz münden. Lieber würde sie sich Arme und Beine im Unterholz zerschinden, als zerschmettert in der Schlucht zu landen.
    Sie bog in das Gestrüpp ab, drückte einige Zweige zur Seite, damit sie ihr nicht ins Gesicht schlugen. Ihre Füße schmerzten. Sie hatte Hunger. Erst war ihr kalt gewesen. Jetzt schwitzte sie. Gebückt kämpfte sie sich vorwärts, bis sie unvermittelt am Rand einer großen Lichtung stand. Hohe Grasbüschel, braunes Laub und abgebrochenes Astwerk breiteten sich vor ihr aus.
    Hanna trat auf das offene, baumgesäumte Feld. Die Äste knackten laut unter ihrem Gewicht. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte, den Weg auf der anderen Seite der Lichtung zu erspähen. Aus dem Gebüsch stob ein Vogel hervor. Ihre Augen wanderten, und … Abrupt hielt sie den Atem an. Dort lag etwas, dort, in den Sträuchern, zu Füßen der dunklen Stämme. Etwas Türkisfarbenes. Verwirrt machte sie einige Schritte darauf zu, zögerte, ging weiter und fixierte dabei die Stelle auf dem Boden.
    Entsetzt schlug sie die Hand vor den Mund.
    »Mein Gott«, flüsterte sie.
    Eine kleine Ewigkeit verging. Hanna

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