Schweig um dein Leben
mir noch etwas ein, und ich wühlte in meiner Kommode nach meinem Badeanzug. Das Freibad in Norwood hatte noch nicht geöffnet, aber der Außenpool des besten Hotels unserer Stadt wurde mit Sicherheit beheizt.
Als ich mit Packen fertig war, trug ich meine Tasche nach unten, wo alle anderen schon in der Diele auf mich warteten – Mom mit einem Koffer und Bram mit seinem Rucksack. Hätte uns in dem Moment ein Fremder gesehen, hätte er uns für eine ganz normale Familie gehalten, die ein paar Tage Urlaub machen will.
Brams Angst und Verwirrung waren mittlerweile in hektische Aufregung umgeschlagen.
»Was ist mit Porky?«, fragte er und zupfte Max am Ärmel. »Kann Porky mit uns kommen? Er ist noch nie in einem Hotel gewesen.«
»Hunde sind in Hotelzimmern verboten, Bram«, sagte Max. »Aber ich bin mir sicher, dass eure Großmutter sich um ihn kümmern wird.«
Bram schüttelte den Kopf. »Lorelei mag Porky nicht. Sie sagt immer, dass er zu viel bellt. Ich frage lieber meinen Freund Chris, ob Porky bei ihm bleiben kann.«
»Ich möchte nicht, dass ihr mit irgendjemandem Kontakt aufnehmt«, sagte Max ernst. »Das ist eine Undercover-Aktion, so was hast du doch bestimmt schon mal im Fernsehen gesehen. Kein Mensch darf wissen, wohin ihr gebracht werdet, und deswegen dürft ihr auch mit absolut niemandem telefonieren.«
»Aber Porky kann doch nicht allein hier im Haus bleiben!«, rief Bram.
»Ich sorge dafür, dass sich jemand um ihn kümmert«, versicherte Lorelei ihm. »In der Nähe meines Fitnessstudios gibt es eine nette kleine Hundepension. Ich bin überzeugt, dass Porky dort eine wunderbare Zeit haben wird.«
Mom ging ein letztes Mal durch alle Zimmer, um sich zu vergewissern, dass die Türen und Fenster verschlossen waren, anschließend verließen wir das Haus und stiegen in Max’ Wagen. Porky versuchte, uns ins Auto hinterherzuspringen, aber Bram trug ihn wieder zurück.
»Du musst leider hier bei Lorelei bleiben«, seufzte er und streichelte dem Cockerspaniel ein letztes Mal über den Kopf. Als hätte er genau verstanden, worum es ging, fing Porky an zu winseln. Er war genauso wenig ein Fan unserer Großmutter wie sie von ihm.
»Ruft mich heute Abend an, damit ich weiß, wo ihr seid«, sagte Lorelei.
Mom schüttelte den Kopf. »Du hast gehört, was Max gesagt hat.«
»Damit wird er ja wohl nicht gemeint haben, dass du nicht einmal deine eigene Mutter anrufen darfst!«, empörte sich Lorelei.
»Es tut mir leid, Mrs Gilbert, aber Liz hat recht«, sagte Max. »Ihre Tochter und die Kinder dürfen unter keinen Umständen mit irgendjemandem telefonisch Kontakt aufnehmen, das gilt leider auch für Sie.« Er drehte sich zu uns nach hinten. »Gebt mir bitte eure Handys. Keine Sorge, ich werde gut darauf aufpassen, bis ihr wieder zu Hause seid.«
»Aber ich brauche mein Handy!«, rief ich fassungslos. »Es ist quasi lebensnotwendig für mich. Ich verspreche auch, dass ich niemanden anrufen werde.«
»Sagen wir einfach, dass ich dich vor der Versuchung bewahren möchte.« Max streckte auffordernd die Hand aus. »Du kannst mir nicht versprechen, dass du nicht drangehst, wenn es klingelt, oder nicht antwortest, wenn du eine SMS bekommst. Das ist einfach zu viel verlangt, vor allem von einem Mädchen in deinem Alter.«
Schweren Herzens holte ich mein Handy aus der Tasche und drückte es ihm in die Hand. Es war, als würde ich ihm einen meiner Lungenflügel geben.
»Danke«, sagte Max und steckte das Handy ein. Dann setzte er sich ans Steuer und ließ den Wagen an.
Als wir von der Einfahrt auf die Straße bogen, drehte ich mich um und blickte zu unserem Haus zurück. Die Heckscheibe schien es wie ein Gemälde einzurahmen und der Vordergarten war im Nachmittagslicht des Frühlings ein einziges buntes Farbenmeer. Die letzten roten und gelben Tulpen, die ersten bärtigen Schwertlilien, Stiefmütterchen, Azaleen und Krokusse drängten sich im Blumenbeet. Die Kirschpflaume und der Tulpenbaum standen in voller Blüte und die Einfahrt war von leuchtendem pinkfarbenen Hartriegel eingefasst.
Ich prägte mir jedes Detail ein, bis der Wagen um die Ecke bog und das Bild verschwand.
Ich rechnete damit, dass Max uns ohne Umwege ins Colonial Inn bringen würde, stattdessen schlug er den Weg Richtung Stadtmitte ein und fuhr kurz darauf in die Angestellten-Tiefgarage des städtischen Verwaltungsgebäudes. Er hielt dem Pförtner seinen Ausweis hin, der ihn durchwinkte, und lenkte den Wagen bis zum untersten Parkdeck, wo er
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