Dohlenflug
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SCHON SEIT WOCHEN rüstete
sich der Kur- und Wintersportort Bad Hofgastein für das Erntedankfest
Ende September. Alfred Schleißheimer hatte sich an diesem
wolkenlosen Samstagnachmittag unauffällig von den letzten
Vorbereitungen losgeeist. Er war kein Freund von Folklore und
Brauchtumsveranstaltungen, überhaupt kein Verfechter brachialer
Belustigung, für den er, der »flotte Fredl«, von vielen
Einheimischen gehalten wurde. Und eben jene, die ihn nur flüchtig
kannten, glaubten ja auch, er sei ein honoriger Bürger, hatte er doch
den sicheren Arbeitsplatz auf der Linzer Sparkasse, das nette Häuschen
in bester Lage im Ortsteil Lafén, eine attraktive Frau und eine
brave Tochter, die mit ihren vierzehn Lenzen weder gepierct noch tätowiert
noch sonst wie modisch verunstaltet war.
Aber der Enddreißiger
war nichts weniger als ein honoriger Bürger, und auch er selbst sah
sich nicht als solchen. Der »flotte Fredl« war nur Fassade,
eine wirksame, jedoch furchtbar banale Fassade, wie er sich selbst tagtäglich
eingestand. Den Spitznamen verdankte er seiner Beliebtheit bei weiblichen
Bankkunden, die sich seinem Charme und seiner Beflissenheit kaum entziehen
konnten. Und das wollte etwas heißen, denn Anlageberater waren auch
in Zeiten guter Konjunktur nicht immer everybody’s darling.
Ihm selbst war seine
Beliebtheit als Tarnung zwar willkommen, darüber hinaus aber gleichgültig.
Diesbezüglich machte er sich nichts vor. Besonders jetzt nicht, da er
mit dem RAV4 die Bergstraße ins Angertal, eines der Gasteiner
Seitentäler, hochbretterte.
Nicht egal war ihm hingegen,
dass sein Arbeitsplatz auf der Bank trotz seiner Tüchtigkeit
keineswegs so sicher war, wie Außenstehende annahmen. Natürlich
hatte er noch diesen einen makabren Trumpf im Ärmel, aber wenn es
hart auf hart kam, war nicht unbedingt gesagt, dass er auch stach. Seine
Frau musste um ihre Dienststelle weitaus weniger bangen als er um seinen
Posten, und eben das hielt er für eine ausgesprochene Ungerechtigkeit
des Schicksals. Salma war noch Gouvernante im »Grand Hotel«.
Noch! In den letzten Jahren hatte sie dort immer wieder die Fristlose fürchten
müssen. Ihre Affären mit Angestellten und Gästen des Hotels
gehörten zum Standardklatsch des Gasteiner Gastgewerbepersonals. Dass
sich die Frau eines so flotten Hirschs schadlos hielt, verstand jeder,
dass sie sich dabei aber etwas diskreter hätte verhalten können,
war ebenso Common Sense. Ihr selbst war inzwischen egal, was die Leitung
des Hotels oder die Gasteiner im Allgemeinen über sie dachten. Wenn
alle Stricke rissen, würde sie genau dort einen Job bekommen, wo er,
Fredl Schleißheimer, um seinen bangen musste: auf der Linzer
Sparkasse.
Im Skizentrum Angertal rührte
sich nichts um diese Jahreszeit. Die Liftkabinen der Kasereben-Seilbahn
verbrachten den Spätsommer auf Halde. Ihre Aufhängevorrichtungen
ragten in die Höhe wie die Arme von Industrierobotern und erinnerten
Schleißheimer in ihrer stereotypen Ausrichtung an ein bekanntes Bild
von Egger-Lienz. Das geräumige Parkhaus war abgesehen von einigen
Autos des Service-Personals leer. Während er daran vorbeifuhr, fragte
er sich zum x-ten Mal, ob er denn komplett wahnsinnig geworden sei. Warum
nur fuhr er jetzt und hier am Wochenende im wunderschönen
herbstlichen Angertal seinem Verhängnis entgegen, statt den Kameraden
von der Bergrettung entspannt bei den Vorbereitungen für das
Erntedankfest zu helfen?
Entspannt? Nein, entspannen
konnte man sich nur schwerlich, wenn einem von drei Seiten Unheil drohte.
Aber sie würde dafür sorgen, dass er für kurze Zeit alles
um sich herum vergaß.
Er blickte auf seine
Breitling-Armbanduhr. Vierzehn Uhr dreißig. Wieder rief er das SMS
auf: »bin etwas klamm. komm um 15 uhr zur r-hütte! werde auch
ganz lieb sein. wie wär’s mit neuem handy?«
Schon das Lesen der Nachricht
erregte ihn. Sein Glied versteifte sich so rasch, dass es schmerzte.
Ihm war durchaus bewusst, auf
welch dünnem Eis er sich bewegte. Himmel, wie sehr er sich dessen
bewusst war – und das seit Jahren! Aber er konnte seinen Hang zu
diesen jungen Dingern nicht kontrollieren. Es war eine Sucht, eine Sucht,
der er keinen Widerstand entgegenzusetzen hatte. Die Lolitas wussten das
und nutzten es natürlich gnadenlos aus. Seine derzeit aktuelle war
gerade erst vierzehn und ein besonders
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