Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sellavie ist kein Gemüse

Sellavie ist kein Gemüse

Titel: Sellavie ist kein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
Vom Netzwerk:
Die Wahl der Waffen
    Der mit der Streitkultur

    „Du mußt deine Wut rauslassen“, sagt sie, „gleich wenn du sie spürst – sofort rauslassen. Wenn du so weitermachst und immer alles runterschluckst, kriegst du ein Magengeschwür.“
    Das klingt fair, ist es aber nicht, denn wenn sie du sagt, meint sie sich. Anlaß zu Wutausbrüchen gebe von uns beiden nur ich. Von ihrer Wut ist also die Rede. Ich könnte höchstens eine Wut auf Dritte haben. Die verdienen dann auch das Donnerwetter, für dessen Herabschmettern sie wirbt.
    „Also, seine Wut rauszulassen ist gesund?“ frage ich.
    „Ja“, sagt sie.
    „Für dich vielleicht“, sage ich, „dein Magengeschwür mag in weitere Ferne rücken, aber meines kommt näher. Du lädst deine Wut nämlich auf mich ab, dann hast du sie los und ich hab’ den Krampf im Bauch. Ist das fair?“
    „Ich bin eben spontan“, sagt sie.
    Das nun wieder bezweifle ich, denn ich habe sie zögern sehen, als sie kürzlich das unwiederbringliche Jugendstilglas in der Hand hielt. Und ich habe sie zu dem Zwei-Mark-Luminarc-Becher greifen sehen, den sie dann mit Vehemenz in genau die Ecke der Küche schleuderte, die am leichtesten zu fegen ist. Die echte Spontaneität war das jedenfalls nicht.
    „Spontan ist auch so’n Ding, das du bei dir gut findest, aber bei mir nicht“, sage ich, und sie beeilt sich zu erklären, daß das nicht stimme. Im Gegenteil habe sie es sehr gern, wenn ich spontan mit ihr an den Baggersee ginge, obwohl ich noch zu arbeiten habe. Oder wenn ich mich spontan zu einem Kurzurlaub in Paris hinreißen ließe, obwohl die Bank schon meine Lebensversicherung und die Wagenpapiere als Geiseln für den Dispo-Kredit genommen hat. Meine Frage, wie es denn mit dem ganz spontanen Einschwenken auf einen fremden Hintern wäre, oder dem spontanen Kauf des Motorrades, das ich mir schon seit Jahren verkneife, ignoriert sie. Natürlich ignoriert sie das. Irgendwo im Hinterstübchen weiß sie nämlich, daß sowohl meine Beherrschung als auch das, was sie meinen Mangel an Spontaneität nennt, ihr ein angenehmeres Leben verschaffen. Ohne Spontaneität gäbe es keine Selbstverwirklichung, deklamiert sie statt dessen. Ich frage, ob sie sich so unwirklich fühle, daß sie etwas dagegen unternehmen zu müssen glaube, wenn ja, sage ich, solle sie sich kneifen. „ Wenn es weh tut, bist du wirklich“, sage ich, aber sie meint, ich solle nicht albern sein. Ich mache sie richtig wütend mit meiner ewigen Unangreifbarkeit, sagt sie, ich solle sie nicht immer so zu beherrschen suchen mit meinen arroganten Sprüchen.
    „Da hätte ich jetzt einen Vorschlag“, biete ich an. „Du entscheidest dich ganz spontan, deine eben aufkeimende Wut ausnahmsweise mal nicht rauszulassen und wir schauen mal, was da so krankheitsmäßig auf dich zukommt. Wenn es nicht mindestens ein Schnupfen innerhalb der nächsten beiden Wochen ist, vom Aufbrechen deines noch nicht existierenden Magengeschwürs gar nicht zu reden, dann kannst du in Zukunft vielleicht auf den einen oder anderen Tobsuchtsanfall verzichten. Was meinst du?“
    Der vollen Dose mit geschälten Tomaten weiche ich geschickt aus, aber ihren Einschlag durchs Glas eines der Oberschränke kann ich nicht mehr verhindern.
    „Wenn du glaubst, jetzt seist du spontan gewesen“, sage ich, „dann täuschst du dich aber gewaltig. Das hab’ ich genau so geplant. Ich wußte, daß du die Dose nimmst, ich hab’ mich sogar unauffällig vor den Schrank mit den Töpfen gestellt, damit nicht noch mehr kaputtgehen kann und ich weiß auch schon jetzt, daß du mich gleich ein Arschloch nennen wirst. Was ist das noch für eine Spontaneität?“
    „Blöde Sau“, sagt sie.
    Den Triumph gönnt sie mir nicht. Was sie nicht weiß, ist, ich wußte, daß, wenn ich das Wort Arschloch besetze, nur noch Blöde Sau kommen kann.
    In der Kneipe bestelle ich einen Fernet Branca, aber da Wolli keinen hat, bin ich auch mit einem Underberg zufrieden.

Freie Fahrt für freie Bürger
    Der Rechtsüberholer

    Seit einem Jahr quält mich die Frage: War es richtig, den getunten schwarzen GTI mit den extrabreiten Schlappen aufzugeben und auf den Hundertneunziger umzusteigen? Denn erstens haben die Lackierung aller Chromteile, die Spoiler und der Extra-Kühler ein Heidengeld gekostet, zweitens wäre ein Dreier-BMW von vornherein günstiger gekommen, und drittens nimmt mir immer noch keiner den erfolgreichen Designer ab. Warum eigentlich nicht? Es stimmt doch alles. Das Armani-Parfüm, die

Weitere Kostenlose Bücher