Schweigfeinstill
Juliane ihn gewarnt, ich sei seelisch labil und daher mit Samthandschuhen anzufassen. Warte nur, Juliane, bis du von deiner Schwester zurück bist!
»Mona Beck, Schölls frühere Chefin, hatte ihn in der Hand. Sie ist Müllers ehemalige Geliebte. Die Geschichte einer Vergewaltigung ist frei erfunden. Schöll hat ihr nie etwas angetan. Wir haben sie hart angefasst. Sie hat sofort alles zugegeben.«
Ich atmete tief durch. Carlos Verrat machte mir zu schaffen, aber wenigstens hatte ich mich in dieser einen Sache nicht in ihm getäuscht.
»Er wollte auch nie irgendwelche Bilder ins Netz stellen. Vielmehr hatte Mona Beck Interesse, gemeinsam mit Karl Schöll in Müllers Geschäft einzusteigen und Müller rauszudrängen. Schöll hat ganz gute Informatikkenntnisse! Mona Beck brauchte Geld, wollte die kanadische Staatsangehörigkeit haben und in den Rockys ein Skihotel eröffnen. Schöll weigerte sich, bei dieser Geschichte mitzumachen.«
»Deshalb hat sie ihm was angehängt?«, fragte ich ungläubig und goss Wein in die Gläser.
»Schöll unterschlug irgendwann Geld. Nicht wenig. Mona Beck bekam es spitz und hatte ihn am Haken. Sie bot ihm einen neuen Job, wenn er ab und an kleinere Aufgaben für Müller verrichten würde.«
»Moment. Für Müller? Ich dachte, sie wollte Müller aushebeln.«
»Schon, aber nachdem sie für ihr Projekt keinen Partner gefunden hatte, tat sie sich mit Müller zusammen. Verdammt, ich ärgere mich immer noch schwarz, dass ich Mona Beck nicht schon früher auf den Zahn gefühlt habe. Die Kollegen in Hamburg haben damals schlampig gearbeitet. Sie nahmen es als gegeben hin, dass Mona und Schöll eine Affäre hatten, obwohl Schöll immer wieder auf seine andersartige sexuelle Orientierung hinwies.«
Ich musste grinsen. Keller drückte sich aus, als könne er mir das Wort ›schwul‹ nicht zumuten.
»Haben Sie Müller – Gaus – eingebuchtet?«
Keller betrachtete seinen Rotwein.
»Nein. Er ist flüchtig. Aber wir haben seine beiden Kampfgenossen, und die werden wir in die Mangel nehmen, bis sie einknicken.«
»Wenn sie überhaupt etwas wissen!« Ich hatte da meine Zweifel.
»Aber einer von den beiden hat Lehr umgebracht. Vielleicht sogar alle beide in Tateinheit. Möglicherweise haben sie auch Valeska auf dem Gewissen. Wir stehen noch lange nicht am Ende der Ermittlungen.«
Ich hörte gar nicht richtig hin. »Aber der Stein mit der Drohung? Das Snuffvideo?« Ich betete, dass Carlo nicht dahintersteckte.
»Sie haben mir doch erzählt, dass Sie an jenem Montagabend, nachdem der Stein durch Ihr Fenster geflogen war, einen dritten Wagen hörten, der aus Ohlkirchen kam.«
Ich nickte.
»Das war Schöll. Er ahnte, dass etwas im Busch war, und sah sich bei Ihnen um. Wollte Sie im Notfall beschützen.«
»Tolle Idee.« Ich trank endlich von meinem Wein. Der Alkohol stieg mir sofort zu Kopf.
»Wahrscheinlich hat einer von Müllers Spezialisten den Stein geworfen, Ihr Auto verkratzt und das Snuff geschickt. Jedenfalls nicht Schöll«, versicherte Keller. »Auch Freitagnacht war Schöll in Ihrer Nähe. Er lungerte um die Steinfelder-Villa herum, um einzugreifen. Ich habe seine Schritte sogar gehört. Mir war nur nicht klar, dass ausgerechnet er sich dort rumtrieb.«
»Er hat mich vorher angerufen«, brummte ich.
»Schöll kam nah an den Garten heran. Der Mann, der sich Mister nannte, sah ihn und schoss. Daraufhin gab ich einen Warnschuss ab.« Keller räusperte sich. Er stellte das Glas ab. Einen Augenblick glaubte ich, er wolle aufstehen, aber er fing sich und blieb sitzen. »Mister richtete seine Waffe in den Hausflur.«
»Das habe ich mitgekriegt«, sagte ich. »Deswegen fand ich, es wäre an der Zeit, einzugreifen.«
»Das war riskant, Frau Laverde.«
»Sollte ich mich abschießen lassen?«
»Ein Kollege und ich waren da.«
»Und woher sollte ich das wissen?« Mein Herz hämmerte. »Ich verlasse mich lieber auf mich selbst. Damit kann man nicht fehlgehen.«
Keller sah verletzt aus.
»Ihre Dokumente und Ihr Laptop sind aufgetaucht«, wechselte er das Thema. »Sie lagen in Misters Wohnung.«
»Kriege ich sie zurück?«
»Natürlich.«
»Wie kam Kugler in mein Haus?«
»Er und Lehr wollten an Ihre Unterlagen ran. Sie dachten, Andy habe etwas spitzgekriegt von den Pornomachenschaften des Johannes Lehr, da Andys Frau immerhin Lehrs Geliebte war. Müller wollte sichergehen, dass die Kontakte zwischen seinem Verbindungsmann und Lehr nicht auf Ihren Datenträgern dokumentiert waren.
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