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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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füllte meinen Mund ganz aus. Sie schmeckte wie Gallenflüssigkeit. »Ihm ist nichts passiert. Er hat für ein paar Minuten ein paar Leute ins Hotel begleitet. War aus der Schusslinie. Er hat mich in dem ägyptischen Krankenhaus alleingelassen. Sich um nichts gekümmert. Mein Bruder und meine Mutter kamen und sorgten dafür, dass ich mit einem Ambulanzflugzeug nach Deutschland zurückgebracht wurde, und das war gut, denn die Wunde am Oberschenkel hatte sich entzündet. Ich bekam eine Sepsis und kämpfte wochenlang auf der Intensivstation um mein Leben.« Ich riss Knopf und Reißverschluss meiner Jeans auf. Kellers Torfaugen wurden noch größer, aber nichts konnte mich stoppen. Ich stellte mich seitlich zu ihm. »Schauen Sie! Ja, schauen Sie nur!« Mein Finger fuhr über die Operationswunde an der Hüfte und die Nahtstellen an Schenkeln und Bauch, wo meine zerfetzte Haut zusammengeflickt worden war wie ein alter Lumpen, der noch eine Weile halten sollte. Gänsehaut kroch über meine Beine. »Mein Knie schmerzte in all den Wochen wie verrückt. Auf dem Röntgenbild war nie was Genaues zu sehen, also wurde eine Arthroskopie gemacht. Dabei entdeckten die Ärzte einen Innenbandriss und einen Kreuzbandriss. Der Innenmeniskus war auch noch im Arsch. Das Knie war nach einem Skiunfall sowieso schon lädiert, und als ich bei dem Anschlag die Treppen runterstürzte, hat es dem Band den Rest gegeben. Also noch mal OP. Meine ersten Schritte nach der Sepsis machte ich mit einer Schiene am Bein.« Ich zog die Jeans hoch und schloss den Reißverschluss. Der Knopf sprang von dem maroden Zwirnrest und rollte durchs Zimmer, irgendwohin, und mir war es vollkommen egal. »Ich wollte wieder ein Leben haben! Einen Job, der mich nicht in die unsichersten Gegenden der Welt jagt. Wo ich nachts kaum schlafe aus Angst, was der nächste Tag bringt. Ich wollte das, was den meisten selbstverständlich erscheint: einen Platz, wo ich hingehöre. Einfach ein Zuhause. Musste nichts Außergewöhnliches sein. Nur ein Haus, das meines ist. Ein sicherer Ort eben. Und jetzt …«
    Mir ging die Puste aus. Mein Hals schmerzte so heftig, dass ich kaum noch schlucken konnte. Die Selbstzensur bekam nach und nach die Oberhand, und ich fühlte einen Anflug von Scham über meinen Ausbruch. Schnell schloss ich die Augen, um Keller nicht ansehen zu müssen. Sollte er hingehen, wo immer er sein wollte. Ich fror. Die Erkältung würde durchbrechen, so oder so, und am besten, ich legte mich gleich in das nächstbeste Bett.

     

     

Epilog
    Ich warf den Pinsel in den Farbeimer und sah mich zufrieden um. Das Arbeitszimmer strahlte in sattem Zitronengelb. Ich hatte bis gestern gebraucht, um das Parkett zu verlegen, und spontan für einen neuen Anstrich optiert. Zum Schreiben war ich zu unruhig, und beim Malern konnte ich wenigstens meinen schwarzen Gedanken nachhängen. Nach einer knappen Woche mit Grippe im Bett, mit Juliane als Krankenschwester an meiner Seite, fühlte ich mich körperlich ausgeruht und fit, aber meine Seele hatte ganz schön was abbekommen. Da halfen auch keine japanischen Gedichte. Deswegen hatte ich nicht dagegen protestiert, dass Juliane bei mir gewohnt hatte, um mich mit Rinderbrühe und Kamillentee aufzupäppeln. Sie hatte die Überbleibsel der nächtlichen Demolage beseitigt, dafür gesorgt, dass mein Haustürschloss ausgewechselt wurde, sich um die Gänse gekümmert, ein Vorhängeschloss für den Stall besorgt und war mehrmals zum Baumarkt gefahren, um fehlende Materialien für die Reparaturarbeiten zu besorgen. Heute früh war sie aufgebrochen, weil sie Weihnachten bei ihrer Schwester verbringen wollte. Ich vermisste sie schon jetzt.
    Ein Wagen fuhr vor. Der Schnee war weggetaut, braungrauer Schlamm schluckte das letzte Licht des Tages. Ich sah den Volvo und rüstete mich. Mir war klar gewesen, dass Keller hier aufkreuzen würde. Morgen war Heiligabend, also gab es jede Menge Vorwände, um irgendwo unangemeldet vorbeizuschauen. Man brauchte nur ein hübsch verschnürtes Päckchen mit Lebkuchen oder Christstollen dabeizuhaben.
    »Guten Abend«, begann Keller. »Störe ich?«
    »Ich habe mein Arbeitszimmer renoviert. Wollen Sie es sich anschauen?«
    Lässig legte er seinen Mantel ab und folgte mir. Wir sprachen über neue und alte Wohnungen, Renovierungsarbeiten und anfallende Reparaturen. Ich kochte Espresso. Schließlich fragte Keller:
    »Wie geht es Andy?«
    »Er liegt im Krankenhaus. Sie haben ihm einen Teil der Milz rausgenommen. Der

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