Schweineblut
du ja jetzt in Ruhe Weihnachten feiern.«
Frank ließ das Handy sinken. Die Stimme kam nicht aus dem Telefon.
Frank drehte sich um und sah in grinsende Gesichter. Die komplette
Band samt Frauen stand hinter ihm. Bassist Wimo schwenkte zwei Flaschen Rotwein
wie Kirchenglocken. Auch die anderen Musiker hatten Flaschen in den Händen,
außerdem bemerkte Frank in seiner Verwirrung mehrere Körbe.
»Fröhliche Weihnachten«, klang es im Chor.
Kopfschüttelnd, aber lachend begrüßte Frank seine Freunde.
Lisa stand schon mit breitem Grinsen in der Tür, als Frank die
Treppe heraufkam.
In der Küche wurde es eng, aber sie fanden alle Platz. Der Grundriss
der an sich geräumigen Küche wurde vollends zur Herausforderung, als Gertrud
und Heinz-Jürgen Schrievers klingelten und wenig später auch noch Ecki und Marion
in der Küche standen.
Es wurde ein langer und ausgelassener Weihnachtsabend in der Wohnung
des Kriminalhauptkommissars Frank Borsch in Eicken.
Spät am nächsten Tag stand Frank in seiner Küche an der Spüle und
konnte sich trotz der alkoholbedingten Nebelschwaden, die sich schmerzhaft in
seinem Kopf festgesetzt hatten, vor allem an zwei Dinge erinnern: Gertrud
Schrievers hatte Gästekarten für »ihren« Weinball verteilt. Heinis
alleinstehender Vetter Herbert hatte nämlich beim Vogelschuss den Vogel von der
Stange geholt und sie als »erfahrene Regentin« gefragt, ob sie beim nächsten
Schützenfest in Dam nicht »seine« Königin sein wolle. Außerdem hatte die
designierte »Herrscherin« Fotos von den Kleidern herumgezeigt, die sie zum
Schützenfest tragen würde. Und sie sahen genauso aus, wie Frank sie sich in
seinen schlimmsten Träumen nicht hätte vorstellen können. Aber die Frauen
hatten ihren Spaß und übertrafen sich übermütig lachend mit guten Ratschlägen für
die anstrengende Schützensaison. Vor allem Gertruds Ankündigung, sich nicht auf
die Sonnenbank zu legen, sondern fachmännisch von einem Automaten einsprühen zu
lassen, erntete johlende Zustimmung. Alle wollten mitkommen, wenn Gertrud
Schrievers sich in einer speziellen Sprühkammer eine nahtlose Bräune verpassen
lassen würde. Ganz im Dienste ihrer schulterfreien Abendrobe.
Außerdem hatte Frank gelernt, dass es für Männer »Kirmeshosen« gab,
die während des Schützenfestes ständig gewaschen werden mussten, weil sie den
Folgen des übermäßigen Bier- oder Frittenkonsums nicht gewachsen waren.
Und Frank hatte ungläubig zur Kenntnis nehmen müssen, dass ihr neuer
Gitarrist David zwar aussah wie die deutsche Ausgabe von Mark Farner von
Grandfunk Railroad, in seiner Freizeit aber genauso gerne die Uniform seiner
Bruderschaft anzog, wie er die Akkorde von All along the
watchtower durch seine Marshall-Box jagte.
Frank sah auf die Straße hinaus. Vor dem Fenster wirbelten erneut
Schneeflocken. Sie schienen in ihrem schwerelosen Spiel den Rhythmus seiner
Kopfschmerzen aufgenommen zu haben.
Mir bleibt aber auch nichts erspart, dachte er, während in seinem
Wasserglas ein Aspirin sprudelnd auf und ab tanzte.
Das Zitat von Woody Allen wurde mit freundlicher Genehmigung von Ralph Geisenhanslüke abgedruckt aus:
Die Zeit, 02.11.2006 Nr. 45.
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