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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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herum, wurde durch den Schwung beinahe umgeworfen, wollte fliehen, nur weg. Endlich konnte sie die Starre ablegen, wollte schreien. Schreien!
    Doch da packte sie die dunkle Gestalt bereits von hinten und drückte ihr den Mund zu.
    Dann.

1
    Baumer erwachte.

    Zuerst spürte er in seinen Fingerspitzen ein sanftes Prickeln. Dann wurde er sich seiner Handgelenke bewusst. Es waren faustgroße Kanonenkugeln, die schwer in tiefen Morast drückten. Zugleich nahm er seine pelzige Zunge wahr, die an die Mundhöhle stieß und Halt suchte. Baumer hörte ein starkes Motorrad, wie es mit bestialischem Lärm näher ratterte und mit schrillem Heulen vorbeijagte.
    Baumers Gefühle wurden nach und nach eingeschaltet wie Lichter in einem erwachenden Wohnhaus. Die trockene kretische Luft klopfte in seiner Nase an, im Gepäck einen Hauch von Meer und stechende Gerüche von krummgewachsenen, aber umso zäheren Kräutern.
    Dann kam der Schmerz in seinem rechten Oberschenkel, dort wo ihn eine Revolverkugel vor drei Monaten getroffen hatte. Baumer tastete sich mit den Kuppen von Zeige- und Mittelfinger der einen Hand sofort hin zur rosettenförmigen Fleischblüte, die an der Eintrittsstelle der Kugel gewachsen war. Da, wo das zerfetzte Fleisch wieder zusammengefügt worden war und vernarbte. Diese Blüte würde nie verwelken.
    Wie eine gute Mutter dem Kind sanft über den Kopf streicht, fuhr Baumer tastend über die Narbe. Fast schien es, als wolle er ihr mitteilen, er verstehe, dass sie ihn schmerzen müsse. Vorsichtig versuchten seine Finger, die Pein aufzusaugen und so im ganzen Körper zu verteilen. So floss sie aus dem Bein von Andreas Baumer, Kommissar der Kantonspolizei Basel-Stadt, grad so wie der Rhein aus Basel strömt und sich nach langer Reise im dunklen Meer verliert.
    Auf einmal erinnerte sich Baumer wieder daran, wo er war. Er lag in einem Zweierbett im Hotel Delphina in Kreta. Gestern war er angekommen. Ein Extremely-Last-Minute-Flug hatte ihn hergebracht. Es war eine beschwerliche Reise gewesen. Seine Beinverletzung hatte ihn in der engen Kabine, im sperrigen Sitz, behindert. Die Busfahrt zum Hotel? Eine einzige Tortur. Todmüde war er ins Bett gefallen.
    Dann erinnerte er sich an seine Begleitung. Sie waren gemeinsam auf die Insel geflogen. Wie hieß sie schon wieder?
    Immer noch hatte Kommissar Baumer die Augen geschlossen, doch spürte er in allen Fasern seines Körpers, dass diese bestimmte Frau neben ihm im Bett lag. Gerade eben hatte sie sich leicht bewegt. Sein Bein hatte eine leise Erschütterung des Bettgestells gespürt wie ein Seismograph die geringsten Erdstöße wahrnehmen kann. »Aua«, dachte er, mehr aus Angst vor einem kommenden Schmerz denn vor tatsächlicher Pein. Die starken Medikamente ließen ihn nicht zu. Und er war ja auch nur ganz leicht bewegt worden. Zugleich war er einiges schwerer als seine weibliche Begleitung. Sein träger Körper würde jede Bewegung nur zur Hälfte mitmachen.
    Der Basler Kommissar mit den kurzgeschorenen mahagonifarbenen Haaren ließ vorsichtig ein wenig gleißendes kretisches Sonnenlicht in seine Augen, das am zu knapp bemessenen Blendschutz vorbei ins Zimmer eindrang. Zögerlich schlug er seine Lider auf, bis er ihn endlich sah, diesen Frauenkörper, der neben ihm ruhte.

    Anna.

    Seine Krankenschwester. Sie hatte ihn im Kantonsspital Basel gepflegt. Man mochte sich sogleich, hatte sich angefreundet, war sich immer näher gekommen. Nun waren sie zusammen – irgendwie – und lagen beieinander in einem harten Hotelbett auf der großen Insel im Mittelmeer.
    Baumer blickte auf diese nackte, blonde Frau, die ihm ihren Rücken zugewandt hatte und deren Körper eine Kontur bildete wie die eines Schweizer Jurahöhenzuges. Weich. Sanft abgerundet. Ihre Schultern, die entblößte Hüfte sowie die Wölbungen des Oberschenkels lagen im Licht. In den Tälern ihres Körpers lagen Schatten, die umso dunkler wurden, je tiefer das Tal reichte. Zwischen den Beinen, unterhalb des Bauches, vermutete er, lag ein enges Tal ganz in Schwarz.
    Jetzt atmete Anna ein, musste einatmen, und Baumer sah, dass der Oberkörper seiner neuen Freundin sich in seinem Bett wie in Zeitlupe in alle Richtungen vergrößerte. Dann fiel der Rücken wieder in sich ein. Anna atmete aus. Völlig geräuschlos.
    Unvermutet begann Baumers rechtes Bein, stärker zu schmerzen. Vielleicht lag es daran, dass das Medikament, das er spät in der Nacht noch eingenommen hatte, in der Wirkung allmählich nachließ.
    Baumer lag

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