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Schwestern schenkt der liebe Gott

Schwestern schenkt der liebe Gott

Titel: Schwestern schenkt der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.Z. Thomas
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davon.
    Heute nachmittag zum Beispiel war Brüder Jäger. Er hat mit Kieselsteinen Spatzen beschossen. Er
war Feuerwerker. Mit seinen Freunden hat er Zündhütchen auf die Gleise der
Straßenbahn gelegt und sich gefreut, wie es geballert hat, wenn die Räder
darüberfuhren. Er war Kupferschmied. Einen Pfennig, den er gefunden hatte, ließ
er von der Straßenbahn fein säuberlich auswalzen. Er war Baumeister und hat am
Brunnen hinter der Wiese Kanäle gebaut und Wasser kunstgerecht durch die
Landschaft geleitet, Überschwemmungskatastrophen eingedämmt und eine Raupe vor
dem Tode des Ertrinkens gerettet. Er war Raubtierdompteur und hat der Raupe das
Seiltanzen beigebracht. Nebenbei hat er Klaus verrollt, weil der ein altes
Bilderbuch aus einer Mülltonne für sich behalten wollte. Er hat gesehen, wie
ein Flugzeug ,Persil’ an den Himmel schrieb. Darauf
wurde er selber Flieger. Seine Hände sind schwärzer als die Nacht. Und von
seinem Hemd wollen wir lieber erst gar nicht sprechen.
    „Brüder!“ sagt seine Mutter
ernst. „Das muß jetzt anders werden!“
    „Warum?“ fragt er und guckt
sich in der Küche um. Er ist gewöhnt, daß irgendwo ein Berg Brotschnitten für
ihn bereitliegt. Aber heute sieht er nichts dergleichen. Dabei hat er einen
mächtigen Hunger.
    „Es geht nicht mehr so weiter
mit dir! In der ganzen Stadt gibt es keinen Jungen, der so schmutzig ist wie
du!“
    „Aber Mutti! Du kennst doch die
anderen Jungen gar nicht!“
    „Wie du wieder aussiehst!! Hör mal
gut zu: Ich kann von jetzt an nicht mehr nur allein für dich da sein, Brüder!“
    „Warum nicht, Mutti?“
    „Weil ich ein Baby erwarte,
Brüder! Da mußt du jetzt ein bißchen Rüdesicht nehmen. Schließlich bist du alt
genug, um vernünftig zu werden. Willst du?“
    Er nickt sofort mit dem Kopf:
„’türlich, Mutti!“ Ihm ist unbehaglich bei diesem Gespräch, und er will auf
ihren Schoß. Er möchte nur mal schnell seine Arme um ihren Hals legen und sie
drücken. „Aber nicht mit diesen Pfoten!“
    Brüder lacht .
Er läuft ins Badezimmer, steckt Kopf, Hals und Hände unter die Brause, läßt
Wasser fließen, verbraucht die halbe Seife, und dann kommt er zurück. Jetzt
wird er auf den Schoß seiner Mutter klettern! Es gibt keinen schöneren Platz
als Mutters Schoß. Man kann sich ankuscheln oder Reiter spielen oder sagen:
Halt mich mal! und dann den Kopf nach rückwärts bis auf die Erde hängen lassen
und die Welt umgekehrt betrachten.

    Aber heute heißt es: „Nein,
Brüder! Du bist mir zu schwer. Ich habe schon genug an mir zu tragen!“
    Brüder betrachtet seine Mutter
mit großen Augen. Macht sie nun Spaß? Oder ist das Ernst? Da stimmt doch irgend
etwas nicht. Sonst durfte er immer auf ihren Schoß. „Freust du dich, daß wir
ein Baby bekommen?“
    „Prima, Mutti!“ Er ist
zufrieden, daß sie nicht böse auf ihn ist. Denn für ihn ist es ganz sch rede
lieh, wenn seine Mutter enttäuscht oder traurig ist. Das ist schlimmer, als
sich beide Beine an Stacheldraht aufzureißen. „Warum kriegen wir denn ein Baby,
Mutti?“
    „Vermutlich, weil es noch nicht
genug von deiner Sorte gibt!“ erwidert sie lachend.
    „Da kriege ich endlich mal wen
anderes zum Spielen“, stellt er befriedigt fest. „Klaus ist nämlich zu albern,
weißt du!“
    „Es dauert aber eine ganze
Zeit, bis du mit dem Baby spielen kannst.“
    „Ach, das macht nichts. Dann
warte ich eben. Ich habe Hunger, Mutti!“
    „Mit dem Essen mußt du heute
noch ein bißchen warten, Brüder. Vati und Guggi müssen jeden Augenblick nach
Hause kommen. Du mußt dich von jetzt an auch nach den Mahlzeiten richten. Genau
wie wir!“
    „Aber ich kann doch schon
vorweg...“
    „Nein, Brüder, du kannst nicht
vorweg! Komm, sei vernünftig. Wenn das Baby kommt, habe ich viel mehr zu tun
als jetzt. Da kann ich dir nicht immer Extrawürste braten. Ich denke, du willst
von jetzt an Rücksicht nehmen?“
    „Aber wenn ich doch solchen
Hunger habe, Mutti!“
    „Du wirst schon nicht
verhungern.“
    Frau Günther müßte jedoch keine
Mutter sein, wenn sie jetzt nicht auf Bruders Jammerblick hin zum Brotkasten
ginge. Sie schneidet eine Scheibe ab, bestreicht sie und klappt sie zusammen.
„Hier, aber das ist das letzte Mal!“
    „Danke, Mutti!“ sagt er
aufseufzend und beißt hinein. Der Zwergpudel Puck, Brüders bester Freund, sitzt
zu seinen Füßen und zählt ihm die Bissen in den Mund. Brüder greift in die Hosentasche, holt einen Hühnerfuß heraus und gibt ihn

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